Freitag, 16. Januar 2015

Reisebericht Krakau Teil 2



Sonntag (4. Januar)

Erste Aufgabe des Tages: straff organisiertes Duschen im Viertelstundentakt beginnend um 8 Uhr gemeistert. Danach noch schnell frühstücken – mit dem leckeren Bauernbrot vom Markt. Dazu sei angemerkt, dass die Größe der Brotlaibe für eine Großfamilie reicht, weshalb wir uns mit einem Viertel begnügt hatten. Gegen kurz nach zehn machten wir uns dann auf Richtung Galeria Kazimierz, wo wir am Galaxy Hotel auf den Minibus treffen sollten, der uns nach Auschwitz bringen würde. Wir waren – natürlich – typisch deutsch zu früh da. Über Nacht war das sonnige Winterwetter abgelöst worden. Es hatte etwas geschneit, innerstädtisch lag jedoch noch nicht viel. Das sollte sich im Laufe des Tages jedoch noch ändern. 

Pünktlich um 10.20 Uhr konnte die Reise losgehen, auch wenn Caros vergessener Studentenausweis für ein paar Sorgenfalten sorgte. Da konnten wir schließlich noch nicht wissen, dass sich vor Ort, anders als angekündigt, kein Mensch für die Studentenausweise interessieren würde. Nachdem wir die übrigen Mitfahrer – wir waren die ersten und der Bus hinterher bis auf einen Platz voll besetzt – eingesammelt hatten, was einige Zeit dauerte, da eine Gruppe allem Anschein nach nicht aus dem Bett gekommen war, konnte es losgehen. Etwas über 60 Kilometer etwas ist Oświęcim, so der polnische Name des Ortes, von Krakau entfernt. Unser Fahrer wählte die Route über Landstraßen, nicht über die Autobahn, was insofern nett war, als dass wir uns die Gegend ansehen konnten, zumindest dann, wenn die Scheiben gerade mal nicht beschlagen waren. Auffällig war, wie sehr die polnische Art und Weise des Häuserbaus der deutschen ähnelt. Das schließt übrigens auch das Vorhandensein von Vorgarten (mit Beeten etc.) und Garten hinter dem Haus ein. Gut, der Münsterländer ist an Ziegelbau gewöhnt, aber über diese Feinheit wollen wir mal hinwegsehen. Die Straßen waren übrigens teilweise von Schnee bzw. Schneeresten bedeckt, aber unser Minibus war mit vertrauenerweckenden Reifen ausgestattet. Außerdem rasten in der Gegend bestimmt nicht alle sofort aus, wenn sie mal eine Schneeflocke zu Gesicht bekommen. (Wobei, wir verstehen alle kein Wort Polnisch, aber wir sind überzeugt, dass die Fahrer der Minibusse sich auf dem Rückweg über Funk über die langsamen Autos beschwert haben… An der Stelle sei über die Überholmanöver bei glatter Straße und Gegenverkehr der Mantel des Schweigens gebreitet). Schließlich kamen wir trotz des stockenden Starts noch so früh an, dass vor dem Beginn der Führung noch Zeit blieb. Da gerade – Aprilwetter im Januar an diesem Sonntag, man konnte gar nicht so schnell zuschauen, wie sich das Wetter änderte – mal wieder ein fieses Schneestürmchen tobte, ab ins Warme. Das Museum Auschwitz dürfte eins der wenigen uns bekannte ohne diverse Shops und Cafés sein. Angesichts der Thematik ist das sicher angebracht, ein wenig überraschend war es dennoch. Wir waren ja – den Vorwarnungen sei Dank – mit Lunchpakten ausgestattet. 

Um 12.30 Uhr startete dann unsere Führung. Diese auf Deutsch gewählt zu haben, entpuppte sich als eine sehr gute Entscheidung. Unserer Gruppe bestand nebst Führerin aus sechs Leuten – wir fünf und noch eine andere junge Frau. Überhaupt waren sehr viele junge Leute an diesem Tag in Auschwitz unterwegs, nur wenige Leute über 40 sind uns untergekommen. Die Führung selbst dauerte etwa drei Stunden, aufgeteilt auf zwei Stunden in Auschwitz II, dem Stammlager, und ca. 45 Minuten in Birkenau (Auschwitz II) etwa zwei Kilometer weiter). Dazwischen lag ein Bustransfer, der dann die drei Stunden auch vollmachte. Als wir loszogen, schneite es mal wieder. Schon etwas krass mitten im Schneetreiben in Auschwitz rumzustehen, beförderte jedenfalls die Fantasie. Emotional sind ja Ziegelbauten, selbst wenn man weiß, wofür sie mal gedient haben, zumindest bei vielen etwas problematisch. Jedenfalls sind die Grenzen der Vorstellungskraft erreicht, wenn man – wie später – in der Winterlandschaft steht und auf sonnenbeschienene Gebäude schaut. Der emotionalen Involviertheit zuträglich war eher das Museum, welches auf mehrere Blöcke oder Baracken aufgeteilt war. Ganz subjektiv sind es Fotos und Relikte bzw. Artefakte, die berühren. Gewaltdarstellungen sind dafür nicht nötig, Bilder von Menschen, die an der Rampe in Schlangen aufgereiht sind und auf die Selektierung „warten“; das reicht schon völlig aus. Oder die riesigen Berge von Koffern, Haaren, Spielzeug, mit täglichen Gebrauchsgegenständen etc. Aus dieser Perspektive ist es sehr gut, weil eindrücklich, dass diese Museum so eingerichtet ist: generell wenig(er) Text, viele Bilder und Dinge, die für sich selbst sprechen, wozu auch das Modell einer Gaskammer zählt. Zur Führung gehörten viele Erläuterungen, Erklärungen, aber auch eine Expedition durch Block 11, wo sich das Lagergefängnis befand. Traurige Berühmtheit hat Block 11 nicht nur wegen der Scheinprozesse, die in der Regel Exekution durch sofortiges Erschießen zu Folge hatten, oder der unmenschlichen Haftbedingungen, sondern auch, weil im Keller die ersten Versuche mit Massenvergasungen stattfanden.









Schließlich ging es nach kurzer Pause weiter nach Birkenau. Fotos von Selektionen an der dortigen Rampe kennt wahrscheinlich jeder. Die schiere Größe des Lagers ist – auch wenn dort sonst nicht mehr viel ist – auf erschreckende Weise beeindruckend. Man steht da und kann kaum von einem Ende zu anderen sehen, das ist richtig krass. Birkenau hatte ein Fassungsvermögen von 90.000 Menschen, auch wenn es – dem nahenden Kriegsende sei da wohl Dank – nie voll belegt war. Aber der Großteil wurde ja ohnehin direkt nach der Ankunft in einer der Gaskammern ermordet. An der Architektur ist auch heute noch zu erahnen, wie sehr das Lager für seine Funktion der Vernichtung bzw. des Massenmordes „optimiert“ war. Dass die Gaskammern nicht mehr vorhanden sind, weil bereits von den Nazis zerstört, ist da für den persönlichen Eindruck gar nicht mehr so wichtig.
So, und bevor den Schreiber dieser Zeilen erneut die kalte Wut packt, beenden wir diese Schilderung mal. Wir waren uns jedenfalls einig, dass es gut war, mal dagewesen zu sein, selbst wenn wir alle schon vor dieser Tour unterschiedliche Konzentrationslager gesehen und besichtigt hatten. Aber gerade Auschwitz ist wohl das Symbol schlechthin für den Holocaust und alle anderen Gräueltaten der Nazis. Deswegen war es eine gute Entscheidung, dorthin zu fahren.



Alles, was man sieht, gehört zu Birkenau. Wenn man das Bild großklickt, sieht man ganz hinten das Eingangstor.


Gegen kurz vor 16 Uhr stiegen wir dann alle wieder in unseren Minibus (und gaben unsere gelben „Krakow Tours“-Identifikationskärtchen) wieder beim Busfahrer ab. Natürlich schneite es mal wieder volles Rohr. Das größte Abenteuer des Tages sollte noch kommen – die Rückfahrt. Die Straßen waren jedenfalls nirgendwo außer auf den letzten Kilometern in Krakau frei. Zwischendurch war es mordsmäßig glatt, sodass wir die anscheinend durchaus übliche Methode, mit den rechten Rädern über den Gehsteig zu fahren, kennenlernen durften. Aber bis wir dorthin kamen durften wir noch einen Stau bedingt durch einen Unfall auf der Landstraße (?) über die Dörfer erleben, der uns wilde Diskutiererei auf Polnisch über Funk zwischen den im Tross fahrenden Minibussen und spannende Wendemanöver (um den Unfall und die Sperrung zu umfahren) auf der eisigen Straße, neben der selbstverständlich ein Graben war, bescherte. Nach einem Ritt durch die Pampa auf bedingt durch Schnee und Eis noch weniger vertrauenerweckenden Straßen, erreichten wir dann jedoch wieder die normale Route. Daraufhin begann die Phase der wilden Überholmanöver, siehe oben. Schließlich ist das ja auch doof, wenn der Funk nur deswegen nicht funktioniert, weil die Autos zwischen den Minibussen so langsam fahren, dass die Reichweite irgendwann nicht mehr ausreicht. Aber wir saßen ja hinten UND wir kamen heile ohne weitere besondere Vorkommnisse wieder in Krakau an. Es schloss sich auf dem Fußweg zum Apartment ein letzter Einkauf (Brot, Taschentücher) an.
Nach kurzen Zwischenstopp im Apartment zog es uns – das Glatteis hatte einiges an Zeit gekostet – zum Essenfassen. Es zog uns in das Lokal Morskie Oko in der Innenstadt, welches wir bereits tags zuvor ob der heimelig-rustikalen Einrichtung auf unsere „To visit“-Liste gesetzt hatten. Scheint ein Touri-Laden zu sein – wenig verwunderlich –, war aber trotzdem richtig gut. Die pierogi schmeckten (wir hatten sie in den Versionen Spinat mit viel Knoblauch und Kohl) genau wie das Bier. Nach dem Hauptgang genehmigten wir uns – wir waren ja schließlich in Polen – einen Wodka auf Empfehlung des Kellners, wir wollten dann ja schon auch einen guten. Wir wurden nicht enttäuscht. Einmal Miodula Staropolska, nie wieder Absolut o.ä.! Den kann man nicht nur trinken, der ist sogar lecker. Dann ließen wir noch eine Nachspeisenrunde folgen: Nusskuchen, Apfelkuchen wurden probiert und ebenfalls für gut befunden. Schließlich zogen wir noch weiter ins Budda, eine Bar, die in einem Hinterhof nahe des Rynek Główny liegt. Allein der Gang in den Hof lohnte den Besuch schon. Anschließend war Schlafenszeit. 


Rechts der Eingang zur Budda-Bar

Durch diesen Eingang geht's in den Hinterhof

Blick aus unserem Küchenfenster auf das Schloss


Montag (5. Januar)

Schon der letzte Tag unseres Kurztrips. Über Nacht war noch ein wenig Schnee hinzugekommen, sodass Vorsicht beim Laufen angebracht war. Der Himmel war und blieb die meiste Zeit grau, am Nachmittag schneite es auch wieder, aber da waren wir schon auf dem Weg zum Flughafen. Karina konnte sich mit dem Wunsch, noch mehr Kirchen zu besichtigen bei vier Gegenstimmen nicht durchsetzen, so begann der Tag etwas gemütlicher. Wir hatten bereits am Samstag Tickets für das Rynek Underground Museum gekauft, weil wir am Samstag nicht mehr reingekommen waren. In diesem 2010 eröffneten Museum kann man in das mittelalterliche Krakau eintauchen und vieles Wissenswertes über die Stadt erfahren. In den Jahren 2004-2006 fanden auf dem Rynek Główny archäologische Ausgrabungen statt. Die Gesteinsschichten können genauso bewundert werden wie alte Hausfassaden etc. Aber das Museum besteht nicht nur aus alten Steinen, es ist modern und multimedial eingerichtet. Die Infoscreens sind u.a. auch in deutscher Sprache einzustellen und für alles Übrige gibt es Infotafeln auf Polnisch und Englisch. Lohnt sich in jedem Fall. Es war auch schon 12.25 Uhr, als Leo und Karina auch endlich fertig waren und wir uns wieder am Adam-Mickiewicz-Denkmal auf dem Rynek Główny trafen. Nun mussten noch die restlichen Zloty ausgegeben werden. Diese wurden sinnvoll in Mittagessen (Gemüse, Kartoffeln und Pajda – hier kam das oben schon erwähnte Brot auch zum Einsatz) investiert. Leider reichte die Zeit nicht mehr für weitere Unternehmungen. Gern hätten wird uns beispielsweise noch die Fabrik von Oscar Schindler angesehen, doch ist dieses Vorhaben auf einen zukünftigen Besuch verschoben, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Schauen wir mal, ob  und wann das was wird. Als nächstes wird zumindest einmal Prag anvisiert.

Markt in Kazimierz



Wir liefen zurück zum Apartment. Gepackt hatten wir alle schon. Für einen letzten Kaffee war noch Zeit, dann machten wir uns im Schneetreiben auf den Weg zum Flughafen. Leo schaffte es auch tatsächlich, als allerletzte in den Flieger einzusteigen. Das hatte allerdings zur Folge, dass wir gaaaanz weit entfernt von unserem Gepäck saßen und auch als letzte wieder aussteigen mussten :D Aber wir hatten ja sonst nichts mehr vor.

Dienstag, 13. Januar 2015

Reisebericht Krakau Teil 1



Freitag (2. Januar)

Was ist der beste Start in ein neues Jahr? Urlaub natürlich! Und welches Urlaubsziel bietet sich an? Im Winter neben Skiurlaub am ehesten ein Städtetrip. Wie trifft man da bei vielen, vielen Möglichkeiten eine Auswahl? Eine Methode ist die, das Ziel nach Flugpreisen auszusuchen. Die entsprechende Recherche ergab Krakau. Das war im Herbst 2014. Das passende Datum war ebenso schnell gefunden – es blieb ja nicht viel übrig bei zwei Leuten, die an Ferientermine von Schule bzw. Uni gebunden sind – wie die Unterkunft. Wir entschieden uns für ein Apartment für max. acht – wir waren fünf – Personen im zentral gelegenen Stadtteil Kazimierz. Also konnte es losgehen. Jedenfalls fast. Wie sich am Tag vor Abflug herausstellte, war ein Fehler bei der Angabe der Namen bei Ryanair unterlaufen. Korrekturversuche scheiterten, also musste am Freitagmorgen die Hotline (abends war sie natürlich nicht mehr besetzt gewesen) bemüht werden. Der Anruf verlief dann verblüffend schnell, unkompliziert und beseitigte das Problem tatsächlich auch. 

Richtig los ging es nachmittags in Dortmund. Lufthansa und Co. waren auf unserer Seite, sodass Leo sowohl pünktlich aus der Dominkanischen Republik kommend, in München landete, als auch der Weiterflug nach Düsseldorf halbwegs pünktlich startete. So konnte der von langer Hand vorbereitete „fliegende Gepäckwechsel“ bei Karina in Dortmund reibungslos abgewickelt werden. Inzwischen war auch der Transport aus Gescher mit Zwischenstopp in Münster, um Lena einzuladen, angekommen und wir konnten als Einstimmung auf den Urlaub im Kitchen Club essen gehen. Danach war es dann schon Zeit, zum Flughafen aufzubrechen. Nach Kaffee und Co. wurden die üblichen, zum Fliegen gehörenden Formalitäten abgewickelt. Für alle war es eine Premiere, in der Priority-Schlange zu stehen – warum wir dort gelandet waren, wusste keiner so genau. Leicht verspätet hob der Flieger nach Krakau ab. Die zwischenzeitlich angekündigten „Turbulenzen“ haben wir allerdings nicht gefunden. 

Was denn nun?

Gegen 21 Uhr landeten wir am Johannes Paul II-Airport (Karol Wojtyla hatte in Krakau gelebt, studiert und war dort Bischof, bis er in den Vatikan ging). Nach kurzer Suche hatten wir dann auch herausgefunden, dass der Bus ins Stadtzentrum am Terminal 1 abfuhr, wir aber an Nr. 2 angekommen waren. Also machten wir uns zu Fuß auf den Weg. Nicht auf den Shuttleservice gewartet zu haben, erwies sich als praktisch, denn so waren wir die ersten am Fahrkartenautomaten. Wir konnten unsere ersten Zloty ausgeben, bevor alle anderen Fahrgäste kamen. In der Straßenbahn später wurde Leo direkt vom ersten Polen angegraben. Dessen Avancen waren jedoch in keiner Weise erfolgreich, er hätte sich aber auch keine ungünstigere Wahl treffen können, als Leo nach 35 Stunden Wachsein. Zu guter Letzt verliefen wir uns auf dem Weg zur Wohnung noch ein klein wenig, bemerkten unseren Irrtum jedoch schnell und kamen so wohlbehalten an. Das Apartment war top, die Zimmerverteilung erwartungsgemäß unproblematisch – ein Pärchen- und ein Weiberzimmer ;) 

Der erste Erkundungsgang konnte gestartet werden, allerdings ohne Leo, die erst einmal Schlaf nachholen musste. Trotz der schon recht fortgeschrittenen Stunde zogen wir gegen 23.30 Uhr los. Zunächst ging es zurück zur Haltestelle Hala Targowa, wo wir zuvor angekommen waren. Dort stießen wir schon auf den ersten Wurststand oder vielmehr das erste Krakauer verkaufende „Wurstauto“. Durch die nächtlichen Straßen liefen wir in Richtung Altstadt und dort zum Markt- oder Hauptplatz Rynek Główny, der mit seiner Größe von 200x200 Metern der größte mittelalterliche Platz Europas ist. Auf dem Hinweg hatten wir glücklicherweise nach einem Fehlversuch einen Bankautomaten gefunden und uns mit Zloty eingedeckt, sodass Jan und Karina eine Krakauer und Caro und Lena Bratkartoffeln erstehen konnten. Mit gefüllten Mägen ging es dann zurück zum Apartment und ab ins Bett. Um ca. 2 Uhr hieß es: Döppen zu!

Samstag (3. Januar)

Der erste Morgen begann mit der Aufgabe, Frühstück zu organisieren. Jan und Karina zogen gegen 9 Uhr bei schönstem, aber kaltem (2°C) Wetter los, um dann festzustellen, dass der abends entdeckte Supermarkt geschlossen war. Warum das so war, blieb ein Rätsel, wir waren zumindest nicht die einzigen, die die Türen unerwartet verschlossen vorfanden. Zum Glück gab es noch einen Minimarkt sowie einen Bäcker ein paar Meter weiter. Das Frühstück war gerettet! An dieser Stelle sei übrigens das polnische Brot positiv hervorgehoben. Der Deutsche ist diesbezüglich bekanntermaßen schwer zufriedenzustellen, aber das polnische Brot kommt dem deutschen schon ziemlich nahe. Daumen hoch! Nachdem alle satt waren und der Kaffee- bzw. Kakaodurst gestillt war, folgten wir den schon von Nachts zuvor bekannten Wegen zum Rynek Główny. Tagsüber sah der Weihnachtsbaum dort auch nicht mehr ganz so kitschig aus. Ein Gang durch die in der Mitte des Platzes gelegenen Tuchhallen folgte die Besichtigung der Marienkirche. Jeden Tag um 11.50 Uhr wird der berühmte Altar aufgeklappt. Leo und Karina war dieses Ereignis die 5 veranschlagten Zloty wert. Der Rest verzichtete und informierte sich in der Zeit schon einmal in puncto der angepeilten Fahrt nach Auschwitz. Der Hochaltar der Marienkirche wurde von Veit Stoß 1477-1489 gefertigt. Die Technik, Holz goldfarben so zu bemalen, dass es wie Metall erscheint, war für die Zeit innovativ und stilbildend. Die Krakauer betonen, dass Veit Stoß trotz tschechischem Vater und deutscher Mutter selbstredend Pole war, aber das sei ihnen gegönnt. Der Altar gehörte zur Kriegsbeute der Nazis und wurde 1945 in einem Bunker in Nürnberg gefunden – in einem so katastrophalen Zustand, dass die Renovierung vier Jahre dauerte. 1950 wurde der Altar auf kommunistischen Beschluss im Wawel ausgestellt und kam erst 1957 zurück an seinen angestammten Platz.


Die Tuchhallen


Arkaden vor der Tuchhalle


Mariakirche

Altar von Veit Stoß


Nach der Wiedervereinigung mit den anderen, genehmigten wir uns einen Glühwein bzw. Tee mit Sliwowitz. Dieses Abenteuer (süß!) wurde als Erfahrung verbucht, allerdings als eine, die nicht zwangsläufig wiederholt werden muss. Nachdem die Tuchhallen abgehakt waren, mussten wir leider das Projekt, den Rathausturm zu besteigen, ad acta legen, da dieser zwischen November und März nicht geöffnet ist. Somit blieb uns der Blick von oben auf die Stadt weitgehend verwehrt. Stattdessen liefen wir einmal rund um den 200x200m großen Rynek Główny. Eine besondere Attraktion in der Krakauer Altstadt sind übrigens auch die zumindest traditionell anmutenden Kutschen, mit denen man von zwei Pferden gezogen durch die Stadt fahren kann. Der Rynek Główny stellte diesbezüglich so etwas wie den „Kutschenbahnhof“ dar.  Laut diversen Websites handelt es sich bei den Kutschen um Fiaker, sie sind also wohl tatsächlich ein kulturelles Relikt und nicht nur ob der Dekoration ausgewählt. Wir haben uns aber aufs Ansehen beschränkt.


Wir folgten dem Königsweg in südlicher Richtung, d.h. wir gingen auf den Wawel zu, eine Burganlage, die sowohl das Königsschloss als auch eine Kathedrale beherbergt. Kirchen kann man übrigens noch und nöcher besichtigen. Auf dem Weg zum Schloss nahmen wir noch zwei weitere mit, Kościół Św. Apostołów Piotra i Pawła und Kościół Św. Andrzeja. Auf der anderen Straßenseite hatte sich der Ritter der Kokosnuss positioniert, zumindest hieß der bei uns so. In Wahrheit wollte der wohl eher Krak darstellen, der im 7. Jahrhundert auf dem Wawel gelebt haben soll und die Bevölkerung Krakaus, vor allem die jungen Frauen natürlich, von einem feuerspeienden, Frauen und Tiere raubenden Drachen befreit haben. Die Höhle desselben ist im Winter leider auch nicht zugänglich. Schließlich erreichten wir das Schloss. In den etwas luftigeren Höhen pfiff der Wind doch ordentlich, sodass wir den Blick über Stadt und vor allem die Weichsel nur kurz genossen. Dann zog es uns wieder ins Wärmere. Wir sahen uns die „Dame im Hermelin“ von Leonardo da Vinci an. Schließlich liefen wir wieder in Richtung Rynek Główny. Dort kehrten wir, mittlerweile war schon 15 Uhr durch, im Café Wentzl ein und genossen dort Kaffee, flüssigen Schokopudding – allerdings unter dem Titel Kakao verkauft – sowie leckeren Kuchen. 

Apostel Petrus und Paulus-Kirche

Andreaskirche


Wawel

Und der Ritter, wie auch immer er jetzt heißt

Danach war’s irgendwie schon dunkel (ca. eine halbe Stunde eher als zu Hause), aber wir zogen natürlich trotzdem weiter. Es ging nun in nördliche Richtung, wobei wir aber nicht dem Königsweg folgten, sondern dieses Mal aber einen anderen Weg nahmen, der uns an den Gebäuden der Universität vorbeiführte, so unter anderem am Collegium Maius, von dem wir allerdings nur den Innenhof und die Decke der Bibliothek sehen konnten, da die Öffnungszeiten allem Anschein nach mit dem Einbruch der Dunkelheit zusammenhängen. Wir liefen an den die Altstadt umgebenden „Planty“ vorbei, bogen wieder in die Altstadt ab, überquerten den Plac Szczepański (wo sich das Morskie Oko befindet, von dem später noch die Rede sein wird) und kamen dann schließlich zur Florianska (Florianstor), einem alten Stadttor. Davor steht eine Barbakane, ein gotischer Verteidigungsturm, laut Wikipedia der größte Europas. Wir machten noch einen kleinen Spaziergang, drehten eine Runde durch die Florianskirche und machten uns dann auf den Rückweg zur Wohnung.
Ein kleiner Einkauf, insbesondere im Hinblick auf das Lunchpaket für den nächsten Tag, stand noch an. In einem der förmlich allgegenwärtigen 24 Stunden geöffneten Alkoholläden deckten wir uns mit polnischem Bier ein, das wir als Aperitif zu uns nahmen. 

Collegium Maius

Die Glitzerbombe und ich

Stadtmauer

Der Verteidigungsturm

Später brachen wir dann auf, um im jüdischen Viertel Kazimierz (leider schafften wir weder einen Besuch dort bei Tageslicht noch den Besuch einer der mindestens sieben Synagogen) zu Abend zu essen. Dies taten wir im „Trezo“, wo wir direkt neben der Livemusik platziert wurden. Die Speisekarte war ein Mix zwischen Polnisch und Mediterran, war lecker (von Pierogi bis Kohlrouladen war alles zu haben). Dazu gab es polnisches Bier, Okocim vom Fass. Nach der Raubtierfütterung zogen wir weiter ins Herz von Kazimierz, auch als Ausgehviertel von Krakau bekannt. Am Plac Nowy kehrten wir im Barroque ein und bestellten Cocktails. Voll toll: Es gab Krüge zum Teilen, hatte was von Bowle-Feeling. Also gab es einen Bottich (irgendein Himbeercocktail, aber nicht zu süß) für die Mädels und sechs Gläser (okay, Shotgläser) für Jan. In der zweiten Runde wechselten wir auf einen bittereren Cocktail, natürlich wieder eine Schüssel voll, der war noch leckerer. Schließlich fielen wir gegen eins in die Betten.