Sonntag, 26. Mai
Schon vor ein paar Jahren hatte ich Daniel eine Reise an die
Ahr geschenkt. Hintergrund war der Plan, sämtliche deutschen Weinanbaugebiete
abzuklappern. Gleichzeitig schenkte Daniel mir einen Aufenthalt an der Nahe. Da
dort bereits ein Gutschein gebucht war, ging es erst nach Bad Münster am Stein-Ebernburg.
Dann kam Corona und dann 2021 die Ahrflut und das Thema Ahr hatte sich erst
einmal erledigt. Nun war es aber soweit und wir buchten Anfang des Jahres eine
Ferienwohnung in Bad Neuenahr, standesgemäß auf einem Weingut. Sonntagmittag
fuhren wir los, von uns waren es nur etwa anderthalb Stunden Fahrtzeit. Gegen
halb drei konnten wir dann direkt unsere Ferienwohnung beziehen. Im Kühlschrank
wartete auch gleich eine Flasche Spätburgunder Blanc de Noir des gastgebenden
Weinguts auf uns. Wir machten allerdings als erstes eine Pause zum Rennen
schauen und einen Regenschauer abwarten, bevor wir uns auf einen ersten
Erkundungsgang machten. Dazu steuerten wir als erstes den „Hausberg“, den
Neuenahrer Berg mit einem Aussichtsturm an. Auf dem Weg dorthin überquerten wir
die Ahr auf einer der zahlreichen Behelfsbrücken des THW, die den Fluss bis
heute überspannen. Auch unsere Unterkunft ist nahe am Fluss gelegen und man
kann die ganze Hauptstraße entlang noch sehr gut sehen, dass die Fassaden
entweder bereits neu gemacht wurden oder man gerade dabei ist. Die Winzerin
erzählte uns auf Nachfrage, dass das Wasser bei ihnen in der Flutnacht 2,18m
hoch gestanden habe. Entsprechend waren Weinkeller, Vinothek und Erdgeschoss
ein Fall für die Komplettsanierung. Auch am Flussufer wird noch viel gebaut,
Bahnstrecke, Straßen, Radwege befinden sich teilweise noch im Wiederaufbau.



Auf den Neuenahrer Berg führte ein ordentlich steiler Weg
inkl. einiger Serpentinen. Der Aussichtsturm selbst ist 24 Stunden geöffnet.
Anderen Menschen begegneten wir nicht, so konnten wir in aller Ruhe verweilen
und die Aussicht über das Tal genießen. Nach dem Abstieg drehten wir eine Runde
durch die Innenstadt und kehrten schließlich im Bad Neuenahrer Brauhaus ein, wo
es neben gutem Essen selbstgebrautes Bier gab. Anschließend widmeten wir uns in
der Ferienwohnung dem Blanc de Noir.
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Blick auf Bad Neuenahr-Ahrweiler
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Sonnenuntergang aus unserer Ferienwohnung betrachtet
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Montag, 27. Mai
Wir wachten früh auf, trödelten aber noch ein wenig rum und
gingen um kurz vor acht dann als erstes einkaufen und erstanden dies und jenes
zum Frühstück. Dieses genehmigten wir uns anschließend mit den Resten vom
selbstgebackenen Sonntagsbrot. Anschließend zogen wir gegen 10 Uhr los Richtung
Ahrweiler, um dort auf eine Wanderroute, die ich abends zuvor auf der sehr
informativen und übersichtlichen Ahrtal-Website recherchiert hatte. In
Ahrweiler schlugen wir uns sozusagen in die Weinberge, folgten dort erst ein
Stück dem Rotweinwanderweg. Zuerst absolviert man einen kurzen, aber ordentlich
steilen Anstieg und wird dann mit spektakulären Ausblicken belohnt. Wir
starteten bei der im letzten Jahr fertiggestellten Flutkapelle, dann ging es
ein steiles Stück weiter die Weinberge hoch zur „Bunten Kuh“ (eine
Felsformation) bei Walporzheim, dann um die nächste Biegung und so weiter immer
durch die Terrassenweinberge.
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Altes Stadttor von Ahrweiler
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Blick auf Ahrweiler
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Beim Blick nach unten in Richtung Marienthal
sahen wir auch, warum es noch eine Weile dauern wird, bis Gleise und Radwege hinter
Walporzheim Richtung Dernau wieder befahrbar sein werden. Da müssen erst noch
ein paar Brücken wiederhergestellt werden. Schließlich verließen wir die
Weinberge und liefen weiter durch den Wald. Dort war es teilweise sehr matschig
und wir waren froh um das gute Schuhwerk. Später ging es weiter durch die
Felder und dann wieder ein Stück durch den Wald, bis wir oberhalb von Ahrweiler
den Bogen zurück zu den Weinbergen und zum Rotweinwanderweg schlugen. Wir kamen
dort noch beim Dokumentationszentrum Regierungsbunker und bei den Überresten
der Bauruine eines Eisenbahnbauprojekts vorbei. Ab 1910 wollte man eine
Bahnstrecke von Lidlar nach Trier bauen – sowohl Teil des Schlieffen-Plans aber
auch gedacht für den Erztransport. Nach dem 1. Weltkrieg wurde der zweigleisige
Ausbau durch den Versailler Vertrag verboten und 1924, als das Elsass
französisch geworden war, stellte man den Bau dann ganz ein.
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Baustelle bei Marienthal: Brücken und Bahnstrecke werden neu gebaut.
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Schädlingsbekämpfung am Weinberg
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Helikopter am Berg
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Teile des ehemaligen Regierungsbunkers
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Rückweg: Neuer Blick auf Ahrweiler
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Brückenruine
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Zurück in Ahrweiler liefen wir durch die sehr pittoreske
Altstadt zur Winzervereinigung, wo wir Wein probierten und drei Flaschen
kauften. Zurück in der Altstadt erreichten wir die „Kaffeemühle“ genau in dem
Moment, in dem sich bedrohlich graue Wolken über uns auftürmten. Daniel fragte
noch, ob wir reingehen wollten, als ein Donnergrollen für uns die Antwort gab.
Kaum waren wir drin und saßen bei Kaffee und Kuchen, als es draußen zu schütten
begann. Jo, Timing ist alles. Die „Kaffeemühle“ hat natürlich auch eine
Geschichte. Nach einem Corona-Lockdown eröffnet und sechs Wochen kam die
Ahrflut. Wieder ein Beispiel für trotzdem weitergemacht. Wow und wie – absolute
Empfehlung übrigens. Wir kauften dort noch ein Glas lokalen Honig, bevor wir im
Trockenen zurück nach Bad Neuenahr liefen – teilweise an der Ahr entlang, wo es
ging. Zurück an der Ferienwohnung hatten wir knapp 20 km auf der Uhr (zzgl.
Gang zum Einkaufen), sprangen erst einmal unter die Dusche und dann in die
Vinothek „unseres Weinguts“ (Peter Lingen). Beim Probieren erfuhren wir noch,
dass die Ahr in der Flutnacht 1,2 km breit war. Danach gab’s Nudeln und eine
Flasche Riesling.
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Ahrweiler Marktplatz
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Hervorragender Kuchen und ebensolcher Kaffee in der Kaffeemühle
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Eine der zahllosen Behelfsbrücken über die Ahr
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Dienstag, 28. Mai
Wieder früh von der Sonne geweckt worden und erst einmal
gemütlich im Bett das spannende Buch ausgelesen. Dann gab’s Frühstück und wir aktualisierten
unsere Tagesplanungen, packten den Rucksack und liefen los zum Fahrradladen
Basislager in Ahrweiler. Dort liehen wir uns jeweils ein Rad für den Tag und legten
los. Da der Ahrtalradweg noch nicht vollständig wiederhergestellt ist, blieb
uns nur der Weg stromaufwärts. Nach drei Kilometern mussten wir den ersten
Zwangsstopp einlegen und Daniels Fahrradständer, der immer wieder
runterklappte, kreativ befestigten. Das blieb jedoch die einzige Panne. Wir
radelten an der Ahr bzw. die Ersatzroute entlang über Heimersdorf und Bad
Bodendorf. Nahezu überall erstrahlten rund 80 % der Häuser in frischer Farbe
oder werden aktuell neu angestrichen. Teilweise sieht man aber auch noch die
„Schmutzkante“. Das Erdgeschoss dürfte in nahezu allen tief gelegenen Häusern
an der Unterahr überflutet gewesen sein. Teilweise sind auch noch
Containersiedlungen aufgebaut, einige wenige Container schienen auch noch
bewohnt zu sein. In Remagen-Kripp stießen wir auf den Rhein, den wir mit einer
Rheinfähre überquerten. In Linz am Rhein schlossen wir die Räder ab und
erkundeten die dortige Altstadt. Wir gönnten uns jeweils einen Kaffee und ein
Stück Kuchen und erstanden noch ein Rotwein-Walnuss-Brot, bevor wir uns wieder
auf die Räder schwangen.
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Malerazubi Kuno oder auch: Das Nachbarhaus wurde neu gestrichen ;)
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Blick auf Linz am Rhein
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Wenig später erklangen hinter uns Glöckchen und wenig
später überholte uns weder eine Kuh noch ein Schaf, sondern ein Radfahrer mit
einem fröhlichen „Mäh“ auf den Lippen. Okay, da wollte wohl jemand allzeit
freie Fahrt. Skurril, aber effektiv. Über Dattenberg ging es weiter nach Bad
Hönningen, wo wir den Rhein ebenfalls mit einer Fähre wieder zurück überquerten.
In Bad Breisig erwischte uns ein Regenschauer, wir stellten uns an der
Promenade kurz unter, konnten aber schon nach wenigen Minuten weiterfahren. Wir
machten dann noch einen Schlenker nach Sinzig, das nahe der Ahrmündung in den
Rhein liegt. Der direkte Radweg Richtung Bad Neuenahr ist noch nicht wiederhergestellt,
daher mussten wir anschließend wieder zurück nach Kripp bzw. an den Rhein und
von dort aus zurück. In der Sinziger Innenstadt steppte nicht gerade der Bär,
doch wir fanden dennoch einen heimeligen Buchladen, in dem auch lokaler Wein
verkauft wurde. Dann radelten wir wirklich zur Ahrmündung und ab Kripp wieder
zurück nach Neuenahr. Dort machten wir eine Pause, kauften noch eine
Ansichtskarte (für Oma), bevor wir im Supermarkt noch ein paar Lebensmittel
kauften und diese an der Ferienwohnung abluden. Uns blieb noch Zeit bis zum
Ladenschluss aka Abgabezeit der Räder und so machten wir noch einen Schlenker
eigentlich um Honig zu kaufen. Doch der Weg nach Grafschaft hätte an einer
vielbefahrenen Landstraße entlanggeführt, also nahmen wir Abstand davon, fanden
jedoch einen Erdbeerstand am Erdbeerfeld, kamen dann noch an der Vinothek der
örtlichen Winzergenossenschaft Dagernova vorbei und kauften nach dem Probieren
noch zwei Flaschen Wein. Gegen kurz vor 18 Uhr brachten wir die Räder nach 60
Kilometern zurück. Auf dem Fußweg heim suchten wir einen Imbiss auf und nahmen
uns das Abendessen mit in die Ferienwohnung. Gemütlicher Tagesausklang mit
Erdbeeren und Wein. Wir schliefen später beim köstlichen Duft unseres
Rotweinbrots ein, welches in seiner Papiertüte die gesamte Ferienwohnung
aromatisierte.

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Promenade in Bad Breisig, Blick auf Bad Hönningen
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Marktplatz Sinzig
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Ahrmündung in den Rhein
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Mittwoch, 29. Mai
Schlechtes Wetter war angekündigt, mehr oder minder Regen
den ganzen Tag. Beim Aufwachen war es zwar grau, aber trocken und so überlegte
ich schon im Bett liegend, ob wir nicht doch nochmal wandern könnten. Auch nach
dem Frühstück war es noch trocken, die Prognose auch nicht mehr so verheerend
und so packten wir die Regenjacken ein, beschlossen, schlammige Waldwege
auszusparen und ansonsten das Beste zu hoffen. Wir nahmen dieses Mal – dank
Gästekarte gratis – den Bus (aka Schienenersatzverkehr) Richtung Ahrbrück und
stiegen in Dernau aus, also quasi da, wo wir zwei Tage zuvor umgekehrt waren. Dort
schlugen wir uns einmal mehr in die Weinberge und folgten dem Rotweinwanderweg
erst nach Rech und dann nach Mayschoß. Wir bekamen ein paar Tropfen Regen ab,
war aber nicht der Rede wert und die Jacken schnell wieder ausgezogen. Wieder
konnten wir schon von oben aus den Weinbergen zahlreiche Baustellen sehen, vor
allem in den Ahrschleifen, wo die Fluten die komplette Infrastruktur – Straßen,
Gleise, Fahrradtunnel, Kläranlage usw. – weggerissen hatten, aber auch in den
Ortschaften. Gerade in den kleineren Orten ist auch drei Jahre nach der Ahrflut
richtig viel kaputt. Oben in den Weinbergen dagegen die totale Idylle. Oberhalb
von Rech stießen wir auf einen Weinautomat – upsi. Klar, dass wir eine Flasche
(Blanc de Noir) mitnahmen. Kurz vor Mayschoß leerten wir diese dann in der
Korbachhütte sitzend bei einem Müsliriegel. Die zerstörte Kläranlage hat
inzwischen unüberhörbar ein Trupp Frösche für sich erobert. In Mayschoß liefen
wir runter und in den Ort, denn die dortige Winzergenossenschaft bot um 14 Uhr
eine Kellerführung an. Zuvor besuchten wir den örtlichen Bäcker im
„Brotvisorium“ – denn auch das Café zwei Häuser weiter ist aktuell noch eine
Ruine. Im Mayschoß selbst dürfte die Hälfte der Erdgeschosse nach wie vor nicht
nutzbar sein, man sieht noch viel Sanierungsstau. Auch die Hauptstraße war
gesperrt, aktuell werden Frischwasserleitungen neu verlegt. Wir waren mit der
Verkäuferin ins Gespräch bekommen und erfuhren daher so einiges über den Ort,
bei Weitem nicht nur über die Flut und ihre Folgen. Die anschließende
Kellerführung wurde eine Privatführung für Daniel und mich. Auch die
Winzergenossenschaft Mayschoß Altenahr hat die Flut getroffen. Die Gebäude
werden – bis auf die Keller und einige Produktionshallen – ab dem kommenden
Montag komplett abgerissen und neu gebaut. Unser Führer, selbst ehemaliger
Hobbywinzer, zeigte uns die Holz- und Stahltanks sowie die Abfüllung und wir
zögerten nicht, ihn mit Fragen über die „älteste Winzergenossenschaft der Welt“
zu löchern. Nach der Führung gab es eigentlich ein Glas Wein – wir waren
anscheinend nicht ganz unsympathisch und an der Sache interessiert und durften
ein wenig mehr probieren. Wir hatten auch Glück, dass ein paar Flaschen mit
besserem Rotwein fast leer waren. Je zwei Flaschen Frühburgunder und Riesling
traten dann auch den Weg in unseren Rucksack an.

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Dernau |
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Rech |
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Huch |
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Da steht schließlich "drücken", oder?
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Mehr Baustellen
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Die Saffenburg
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Wohl doch ausreichend gedrückt
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Weinberge über Mayschoß
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Ahrschleife, links das zerstörte Klärbecken, rechts Mayschoss
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Die Abrissbagger sind bestellt.
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Anschließend gönnten wir uns noch eine Pizza in einem vor
wenigen Wochen wiedereröffneten Imbiss – auf Empfehlung der Bäckereiverkäuferin
und auch der Architektin des Hauses, die uns die Pizza noch einmal extra ans
Herz legte. Wir trafen ohnehin nur nette Menschen an der Ahr. Nach der Pizza
war es zu spät für den SEV zurück, eine Stunde wollten wir auch nicht warten
und so liefen wir durch die Weinberge (aktuell noch kein Fußweg an der
Hauptstraße) zurück nach Rech und dann auf anderem Weg nach Dernau, um von dort
den Bus zu nehmen. Tagesbilanz: 14,5 km plus ca. 2 km in Bad
Neuenahr-Ahrweiler. Abends Milchreis. Und zehn Minuten nach unserer Rückkunft
fing es an zu schütten. Wir kleinen Glücksritter…
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Man beachte das blau-weiße Schild an der Hausfront - mutmaßlicher Pegelstand bei der Ahrflut 2021
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Feierabend |
Donnerstag, 30. Mai
Leider schon wieder das Ende unseres Kurzurlaubs an der Ahr.
Doch eines ist sicher, es wird aus mehreren Gründen nicht der letzte Ahrurlaub
gewesen sein. Zunächst haben wir nur etwa das halbe Ahrtal gesehen, den
Abschnitt von der Mündung bis Mayschoß, der Teil ab der Quelle bis nach
Altenahr fehlt uns also noch. Auch würden wir gerne den Ahrtalradweg komplett abfahren,
aktuell ist das noch nicht wieder möglich. Aber auch darüber hinaus hat es uns
an der Ahr ausnehmend gut gefallen. Die netten Begegnungen erwähnte ich schon.
Ebenso sagte uns die Landschaft zu, etwas wildromantisch, immer mal wieder ein
Dorf, jede Menge Wein – wirklich sehr schön und aus unserer Sicht mit Blick auf
die Natur vorn dabei bei den deutschen Weinanbaugebieten. Der Wein schmeckt
natürlich ebenso, allerdings maßen wir uns da kein Ranking an. Wir haben bisher
immer etwas gefunden, was uns schmeckt. An der Ahr gefiel uns besonders der
Frühburgunder.
Wir genossen ein letztes Frühstück mit den Resten des Rotweinbrots,
dann packten wir unsere Siebensachen zusammen und beluden das Auto. Zu guter Letzt
holten wir bei unseren Gastgebern noch den gekauften Wein ab und quatschten uns
erst einmal fest. Schließlich machten wir uns doch auf den Heimweg – gern kommen
wir bei passender Gelegenheit wieder, auch zum Weingut Peter Lingen.
Auf dem Heimweg legten wir noch einen Zwischenstopp an der
Burgruine Ardeck nahe Diez bzw. Limburg ein, umrundeten diese und stiegen
passend zum nächsten Regenschauer (Glücksritter halt) wieder ins Auto für den
Rest des Weges.