Sonntag (4. Januar)
Erste Aufgabe des Tages: straff organisiertes Duschen im
Viertelstundentakt beginnend um 8 Uhr gemeistert. Danach noch schnell
frühstücken – mit dem leckeren Bauernbrot vom Markt. Dazu sei angemerkt, dass
die Größe der Brotlaibe für eine Großfamilie reicht, weshalb wir uns mit einem
Viertel begnügt hatten. Gegen kurz nach zehn machten wir uns dann auf Richtung
Galeria Kazimierz, wo wir am Galaxy Hotel auf den Minibus treffen sollten, der
uns nach Auschwitz bringen würde. Wir waren – natürlich – typisch deutsch zu
früh da. Über Nacht war das sonnige Winterwetter abgelöst worden. Es hatte
etwas geschneit, innerstädtisch lag jedoch noch nicht viel. Das sollte sich im
Laufe des Tages jedoch noch ändern.
Pünktlich um 10.20 Uhr konnte die Reise losgehen, auch wenn
Caros vergessener Studentenausweis für ein paar Sorgenfalten sorgte. Da konnten
wir schließlich noch nicht wissen, dass sich vor Ort, anders als angekündigt,
kein Mensch für die Studentenausweise interessieren würde. Nachdem wir die
übrigen Mitfahrer – wir waren die ersten und der Bus hinterher bis auf einen
Platz voll besetzt – eingesammelt hatten, was einige Zeit dauerte, da eine
Gruppe allem Anschein nach nicht aus dem Bett gekommen war, konnte es losgehen.
Etwas über 60 Kilometer etwas ist Oświęcim, so der polnische Name des Ortes,
von Krakau entfernt. Unser Fahrer wählte die Route über Landstraßen, nicht über
die Autobahn, was insofern nett war, als dass wir uns die Gegend ansehen
konnten, zumindest dann, wenn die Scheiben gerade mal nicht beschlagen waren.
Auffällig war, wie sehr die polnische Art und Weise des Häuserbaus der
deutschen ähnelt. Das schließt übrigens auch das Vorhandensein von Vorgarten
(mit Beeten etc.) und Garten hinter dem Haus ein. Gut, der Münsterländer ist an
Ziegelbau gewöhnt, aber über diese Feinheit wollen wir mal hinwegsehen. Die
Straßen waren übrigens teilweise von Schnee bzw. Schneeresten bedeckt, aber
unser Minibus war mit vertrauenerweckenden Reifen ausgestattet. Außerdem rasten
in der Gegend bestimmt nicht alle sofort aus, wenn sie mal eine Schneeflocke zu
Gesicht bekommen. (Wobei, wir verstehen alle kein Wort Polnisch, aber wir sind
überzeugt, dass die Fahrer der Minibusse sich auf dem Rückweg über Funk über
die langsamen Autos beschwert haben… An der Stelle sei über die Überholmanöver
bei glatter Straße und Gegenverkehr der Mantel des Schweigens gebreitet).
Schließlich kamen wir trotz des stockenden Starts noch so früh an, dass vor dem
Beginn der Führung noch Zeit blieb. Da gerade – Aprilwetter im Januar an diesem
Sonntag, man konnte gar nicht so schnell zuschauen, wie sich das Wetter änderte
– mal wieder ein fieses Schneestürmchen tobte, ab ins Warme. Das Museum Auschwitz
dürfte eins der wenigen uns bekannte ohne diverse Shops und Cafés sein.
Angesichts der Thematik ist das sicher angebracht, ein wenig überraschend war
es dennoch. Wir waren ja – den Vorwarnungen sei Dank – mit Lunchpakten
ausgestattet.
Um 12.30 Uhr startete dann unsere Führung. Diese auf Deutsch
gewählt zu haben, entpuppte sich als eine sehr gute Entscheidung. Unserer
Gruppe bestand nebst Führerin aus sechs Leuten – wir fünf und noch eine andere
junge Frau. Überhaupt waren sehr viele junge Leute an diesem Tag in Auschwitz
unterwegs, nur wenige Leute über 40 sind uns untergekommen. Die Führung selbst
dauerte etwa drei Stunden, aufgeteilt auf zwei Stunden in Auschwitz II, dem
Stammlager, und ca. 45 Minuten in Birkenau (Auschwitz II) etwa zwei Kilometer
weiter). Dazwischen lag ein Bustransfer, der dann die drei Stunden auch
vollmachte. Als wir loszogen, schneite es mal wieder. Schon etwas krass mitten
im Schneetreiben in Auschwitz rumzustehen, beförderte jedenfalls die Fantasie.
Emotional sind ja Ziegelbauten, selbst wenn man weiß, wofür sie mal gedient
haben, zumindest bei vielen etwas problematisch. Jedenfalls sind die Grenzen
der Vorstellungskraft erreicht, wenn man – wie später – in der Winterlandschaft
steht und auf sonnenbeschienene Gebäude schaut. Der emotionalen Involviertheit
zuträglich war eher das Museum, welches auf mehrere Blöcke oder Baracken
aufgeteilt war. Ganz subjektiv sind es Fotos und Relikte bzw. Artefakte, die
berühren. Gewaltdarstellungen sind dafür nicht nötig, Bilder von Menschen, die
an der Rampe in Schlangen aufgereiht sind und auf die Selektierung „warten“;
das reicht schon völlig aus. Oder die riesigen Berge von Koffern, Haaren,
Spielzeug, mit täglichen Gebrauchsgegenständen etc. Aus dieser Perspektive ist
es sehr gut, weil eindrücklich, dass diese Museum so eingerichtet ist: generell
wenig(er) Text, viele Bilder und Dinge, die für sich selbst sprechen, wozu auch
das Modell einer Gaskammer zählt. Zur Führung gehörten viele Erläuterungen,
Erklärungen, aber auch eine Expedition durch Block 11, wo sich das
Lagergefängnis befand. Traurige Berühmtheit hat Block 11 nicht nur wegen der
Scheinprozesse, die in der Regel Exekution durch sofortiges Erschießen zu Folge
hatten, oder der unmenschlichen Haftbedingungen, sondern auch, weil im Keller die
ersten Versuche mit Massenvergasungen stattfanden.
Schließlich ging es nach kurzer Pause weiter nach Birkenau.
Fotos von Selektionen an der dortigen Rampe kennt wahrscheinlich jeder. Die
schiere Größe des Lagers ist – auch wenn dort sonst nicht mehr viel ist – auf
erschreckende Weise beeindruckend. Man steht da und kann kaum von einem Ende zu
anderen sehen, das ist richtig krass. Birkenau hatte ein Fassungsvermögen von
90.000 Menschen, auch wenn es – dem nahenden Kriegsende sei da wohl Dank – nie
voll belegt war. Aber der Großteil wurde ja ohnehin direkt nach der Ankunft in
einer der Gaskammern ermordet. An der Architektur ist auch heute noch zu
erahnen, wie sehr das Lager für seine Funktion der Vernichtung bzw. des
Massenmordes „optimiert“ war. Dass die Gaskammern nicht mehr vorhanden sind,
weil bereits von den Nazis zerstört, ist da für den persönlichen Eindruck gar
nicht mehr so wichtig.
So, und bevor den Schreiber dieser Zeilen erneut die kalte
Wut packt, beenden wir diese Schilderung mal. Wir waren uns jedenfalls einig,
dass es gut war, mal dagewesen zu sein, selbst wenn wir alle schon vor dieser
Tour unterschiedliche Konzentrationslager gesehen und besichtigt hatten. Aber
gerade Auschwitz ist wohl das Symbol schlechthin für den Holocaust und alle anderen
Gräueltaten der Nazis. Deswegen war es eine gute Entscheidung, dorthin zu
fahren.
Alles, was man sieht, gehört zu Birkenau. Wenn man das Bild großklickt, sieht man ganz hinten das Eingangstor. |
Gegen kurz vor 16 Uhr stiegen wir dann alle wieder in
unseren Minibus (und gaben unsere gelben „Krakow
Tours“-Identifikationskärtchen) wieder beim Busfahrer ab. Natürlich schneite es
mal wieder volles Rohr. Das größte Abenteuer des Tages sollte noch kommen – die
Rückfahrt. Die Straßen waren jedenfalls nirgendwo außer auf den letzten
Kilometern in Krakau frei. Zwischendurch war es mordsmäßig glatt, sodass wir
die anscheinend durchaus übliche Methode, mit den rechten Rädern über den
Gehsteig zu fahren, kennenlernen durften. Aber bis wir dorthin kamen durften
wir noch einen Stau bedingt durch einen Unfall auf der Landstraße (?) über die
Dörfer erleben, der uns wilde Diskutiererei auf Polnisch über Funk zwischen den
im Tross fahrenden Minibussen und spannende Wendemanöver (um den Unfall und die
Sperrung zu umfahren) auf der eisigen Straße, neben der selbstverständlich ein
Graben war, bescherte. Nach einem Ritt durch die Pampa auf bedingt durch Schnee
und Eis noch weniger vertrauenerweckenden Straßen, erreichten wir dann jedoch
wieder die normale Route. Daraufhin begann die Phase der wilden Überholmanöver,
siehe oben. Schließlich ist das ja auch doof, wenn der Funk nur deswegen nicht
funktioniert, weil die Autos zwischen den Minibussen so langsam fahren, dass
die Reichweite irgendwann nicht mehr ausreicht. Aber wir saßen ja hinten UND
wir kamen heile ohne weitere besondere Vorkommnisse wieder in Krakau an. Es
schloss sich auf dem Fußweg zum Apartment ein letzter Einkauf (Brot,
Taschentücher) an.
Nach kurzen Zwischenstopp im Apartment zog es uns – das
Glatteis hatte einiges an Zeit gekostet – zum Essenfassen. Es zog uns in das
Lokal Morskie Oko in der Innenstadt, welches wir bereits tags zuvor ob der
heimelig-rustikalen Einrichtung auf unsere „To visit“-Liste gesetzt hatten.
Scheint ein Touri-Laden zu sein – wenig verwunderlich –, war aber trotzdem
richtig gut. Die pierogi schmeckten
(wir hatten sie in den Versionen Spinat mit viel Knoblauch und Kohl) genau wie
das Bier. Nach dem Hauptgang genehmigten wir uns – wir waren ja schließlich in
Polen – einen Wodka auf Empfehlung des Kellners, wir wollten dann ja schon auch
einen guten. Wir wurden nicht enttäuscht. Einmal Miodula Staropolska, nie
wieder Absolut o.ä.! Den kann man nicht nur trinken, der ist sogar lecker. Dann
ließen wir noch eine Nachspeisenrunde folgen: Nusskuchen, Apfelkuchen wurden
probiert und ebenfalls für gut befunden. Schließlich zogen wir noch weiter ins
Budda, eine Bar, die in einem Hinterhof nahe des Rynek Główny liegt. Allein der Gang in den Hof lohnte den Besuch schon.
Anschließend war Schlafenszeit.
Rechts der Eingang zur Budda-Bar |
Durch diesen Eingang geht's in den Hinterhof |
Blick aus unserem Küchenfenster auf das Schloss |
Montag (5. Januar)
Schon der letzte Tag unseres Kurztrips. Über Nacht war noch
ein wenig Schnee hinzugekommen, sodass Vorsicht beim Laufen angebracht war. Der
Himmel war und blieb die meiste Zeit grau, am Nachmittag schneite es auch
wieder, aber da waren wir schon auf dem Weg zum Flughafen. Karina konnte sich
mit dem Wunsch, noch mehr Kirchen zu besichtigen bei vier Gegenstimmen nicht
durchsetzen, so begann der Tag etwas gemütlicher. Wir hatten bereits am Samstag
Tickets für das Rynek Underground Museum gekauft, weil wir am
Samstag nicht mehr reingekommen waren. In diesem 2010 eröffneten Museum kann
man in das mittelalterliche Krakau eintauchen und vieles Wissenswertes über die
Stadt erfahren. In den Jahren 2004-2006 fanden auf dem Rynek Główny archäologische Ausgrabungen
statt. Die Gesteinsschichten können genauso bewundert werden wie alte
Hausfassaden etc. Aber das Museum besteht nicht nur aus alten Steinen, es ist
modern und multimedial eingerichtet. Die Infoscreens sind u.a. auch in
deutscher Sprache einzustellen und für alles Übrige gibt es Infotafeln auf
Polnisch und Englisch. Lohnt sich in jedem Fall. Es war auch schon 12.25 Uhr,
als Leo und Karina auch endlich fertig waren und wir uns wieder am Adam-Mickiewicz-Denkmal
auf dem Rynek Główny trafen.
Nun mussten noch die restlichen Zloty ausgegeben werden. Diese wurden sinnvoll
in Mittagessen (Gemüse, Kartoffeln und Pajda – hier kam das oben schon erwähnte
Brot auch zum Einsatz) investiert. Leider reichte die Zeit nicht mehr für
weitere Unternehmungen. Gern hätten wird uns beispielsweise noch die Fabrik von
Oscar Schindler angesehen, doch ist dieses Vorhaben auf einen zukünftigen
Besuch verschoben, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Schauen wir mal,
ob und wann das was wird. Als nächstes
wird zumindest einmal Prag anvisiert.
Markt in Kazimierz |
Wir liefen zurück zum Apartment. Gepackt hatten wir alle
schon. Für einen letzten Kaffee war noch Zeit, dann machten wir uns im
Schneetreiben auf den Weg zum Flughafen. Leo schaffte es auch tatsächlich, als
allerletzte in den Flieger einzusteigen. Das hatte allerdings zur Folge, dass
wir gaaaanz weit entfernt von unserem Gepäck saßen und auch als letzte wieder
aussteigen mussten :D Aber wir hatten ja sonst nichts mehr vor.
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