Samstag, 1. April
Noch nicht lange im neuen Zuhause in neuer Gegend ist es
natürlich besonders spannend, die Umgebung zu erkunden – umso mehr, da das
südliche Deutschland mal abgesehen von München und dem Allgäu ein bis dato
ziemlich unbeschriebenes Blatt für mich ist. Nachdem nun der Frühling und damit
wärmere Temperaturen wirklich Einzug erhalten haben, beschlossen wir, den schon
an meinem Geburtstag gefassten Plan, Würzburg zu erkunden, in die Tat
umzusetzen. Ein Blick in den erstandenen Reiseführer verriet, dass 1,5 Tage
wohl nicht ausreichen würden, um all jene Must Sees abzuklappern, deshalb
vertagten wir das westliche Mainufer bereits vorher auf ein späteres Datum.
Ich machte mich Samstagmittag auf den Weg, das Auto blieb
zugunsten von Bus und Bahn stehen. Die Anreise klappte trotz zweimaligen
Umsteigens ziemlich gut. Erste Feststellung: Es gibt hässlichere Bahnhöfe als
Dortmund. Der Würzburger Hauptbahnhof ist noch deutlich angeranzter. Zugegeben,
dafür hat Würzburg Weinberge direkt am Hauptbahnhof, das entschädigt dann doch
für einiges. Die ersten zwei Stunden waren einer Einkaufstour vorbehalten, die
muss ich in einem Reisebericht nicht schildern, zumal das eine sehr
zielorientierte Aktion war. Immerhin bekam ich dadurch schon mal einen guten
Überblick über Aufbau, Größe und Lage der Altstadt. Als ich Daniel um 16 Uhr am
Bahnhof einsammelte, hatte ich daher schon die ersten Ortskenntnisse. Wir
brachten dann erst einmal unsere Rucksäcke zum Hotel – das hatten wir uns
gegönnt – und machten uns direkt auf zum ersten touristischen Ziel. Wir wollten
eine Kellerführung im Juliusspital machen. Ein Weinbezug darf sowieso nicht
fehlen und schon gar nicht in einer Stadt wie Würzburg.
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Niko vor der Marienkapelle |
Das Juliusspital hat neben einem Krankenhaus auch Ackerbau
und ein Weingut. Immerhin werden auf180 ha Wein angebaut, der Ertrag reicht
dann auch für ca. einer Million Flaschen im Jahr. Der vom Hauptbahnhof zu
bestaunende Würzburger Stein zählt dabei zu den besten Lagen. Die wichtigste Rebsorte
ist Silvaner. Bei so einer Größe war natürlich das Weingut und v.a. die Keller
sehr beeindruckend, wobei der historische Keller mit alten Holzfässern
natürlich noch ein bisschen nostalgischer war. 1,6 Millionen Liter können in
den Fässern gelagert werden, das älteste Fass, welches noch benutzt wird,
stammt aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts. 1,5 Stunden streiften wir
durch das Weingut, geführt von einem Winzermeister, sodass auch die technischen
Fragen nicht unbeantwortet blieben. Zu probieren gab es natürlich auch etwas,
es fing bei einer halbtrockenen Scheurebe an (weniger süß als gedacht, trotz 12
g Restzucker, ich war überrascht, ich mochte ihn sogar), dann folgte ein
Müller-Thurgau und schließlich natürlich ein Silvaner – letztgenannter war klar
der beste. Wir kauften trotzdem nichts übrigens, was aber auch damit zu tun
hatte, dass wir die Flaschen hätten mit uns herumtragen müssen. Wir hatten ja
noch etwas vor. Erst einmal musste der Hunger gestillt werden, das taten wir
allerdings nicht besonders stilvoll, sondern vor allem schnell, nämlich in
einer Dönerbude, wobei wir ganz schön suchen mussten und letztlich doch Google
zu Hilfe nahmen. Wir waren halt nicht in Bahnhofsnähe.
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Juliusspital |
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Das schafft was! |
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Historischer Keller |
Um 20 Uhr fanden wir uns dann am Vierröhrenbrunnen zu einer
Nachtwächterführung ein. Diese war schon fast zu gut besucht, aber bei
einigermaßen geschickten Navigieren konnten wir uns immer so positionieren,
dass wir alles akustisch verstehen konnten. Eine Stunde etwa zogen wir durch
das dunkel werdende Würzburg, erfuhren allerlei über die Profession des
Nachtwächters im Lauf der Würzburger Geschichte, alles erzählt von der jüngsten
und schönsten Nachtwächterin der Stadt. Der eine oder andere Name, mit dem wir
noch nicht ganz so viel anfangen konnten, fiel auch, so wurde uns die Bedeutung
Tilman Riemenschneiders erst am Folgetag so richtig bewusst. Unverzichtbar und
eine gute Geschichte zum Klugscheißern ist diejenige über die „Ohrempfängnis“,
eine freie Interpretation am Nordportal der Marienkapelle. Ihr könnt mich gern
fragen.
Anschließend zogen wir noch ein wenig durch die Stadt,
tranken noch ein Gläschen Wein, dieses Mal bei der Konkurrenz – nämlich im
Bürgerspital – und ließen dann den Abend ausklingen.
Sonntag, 2. April
Der Tag begann nicht ganz so freundlich der alte begonnen
hatte, ein paar Regenwolken zeigten sich am Himmel, sie drohten jedoch fast
ausschließlich, lediglich ein paar Tropfen fielen vom Himmel, zum Glück! Wir
ließen uns erst einmal das Frühstück schmecken, checkten aus und zogen zum
Markt. An der dort gelegenen Touristeninformation vor dem Falkenhaus sollte um
10.30 Uhr eine öffentliche Stadtführung starten. Zu dieser Jahreszeit ging das
auch sehr gut noch ohne Voranmeldung, im Sommer empfiehlt sich das aber wohl
nicht unbedingt. Ziel der Führung waren die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der
Altstadt, beginnend mit dem reich verzierten Falkenhaus und dem Oberen und
Unterem Markt, auf dem an diesem Wochenende anlässlich des Frühlingsvolksfests
auf der Talavera zahlreiche Buden aufgebaut waren. Das Falkenhaus war eins der
ersten nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebauten Gebäude, das erste
öffentliche und diente dann mehr oder weniger als Mutmacher. Würzburg war lange
Zeit unbeschädigt geblieben und man wähnte sich wohl fast schon in Sicherheit,
als die Stadt Mitte März 1945 in drei Angriffswellen dann doch noch schwer
bombardiert wurde und die Innenstadt in einer Feuersbrunst zu 90 % zerstört
wurde. Alle historischen Gebäude mussten wiederaufgebaut werden.
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Haus des Falken |
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Im Neumünster |
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Teile des Doms |
Die Marienkapelle trägt ihren Namen zwar zu Recht, er ist
jedoch etwas irreführend, denn von der Größe her erinnert das von Bürgern in
Konkurrenz zum Dom errichtete Bauwerk an eine (große) Kirche. Die Rache des
Bischofs jedoch folgte und die Marienkapelle erhielt nie eine Pfarre, bis heute
und deswegen ist sie immer eine Kapelle geblieben. Weiter ging die Führung zum
Neumünster und auch hinein. Hier fielen besonders die modernen Gemälde im
Innenraum auf. Im Zuge einer Renovierung entschied man sich, auch der modernen
Kunst Raum in den Kirchen der Stadt einzuräumen. Anschließend folgte der Dom
und damit die Geschichte über die Christianisierung durch den für Würzburg so
wichtigen Heiligen Kilian – der Dom ist schließlich nach ihm benannt – und
seine zwei Mitstreiter Todman und Colonan. Sie wurden allerdings ermordet,
beauftragt von der Ehefrau des Fürstbischofs, denn Kilian hatte diesem
nahegelegt, sich von seiner Frau, der Witwe seines Bruders, zu trennen. Den
nächsten Stopp machten wir an der Alten Mainbrücke, das Wahrzeichen Würzburgs
schlechthin. Von dort hat man nicht nur einen herrlichen Blick auf den
Würzburger Stein, sondern auch auf die Festung Marienberg. Diese wird dann
unser nächstes Würzburger Ausflugziel. Schließlich ging es zurück zur
Marienkapelle und wir durften uns die Geschichte mit dem Ohr ein weiteres Mal
anhören, was der Qualität allerdings keinen Abbruch tat.
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Der Dom dieses Mal von vorn |
Nach diesen lehr- und erkenntnisreichen eineinhalb Stunden
genehmigten wir uns einen Cappuccino am Unteren Markt und zogen dann weiter zur
Residenz. Dort kamen wir genau richtig für die nächste Führung in weiteren
nicht minder lehrreichen anderthalb Stunden. Wir erfuhren, was den
venezianischen Starmaler Tiepolo zur Gestaltung der Residenz nach Würzburg
verschlug – viel, sehr viel Geld – sahen spektakuläre Deckenmalereien Tiepolos,
nicht minder beeindruckende Stuckarbeiten und einen Raum, der dem Spiegelsaal
von Versailles nicht durch Prunk, aber durch Rafinesse und mühevolle
Kleinarbeit Konkurrenz macht. Leider war Fotografieren in der Residenz nicht
erlaubt, daher gibt es keine Fotos, aber Onkel Google hilft!
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Im Hofgarten der Residenz |
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Residenz... zu groß fürs Bild |
Auf dem Rückweg in die Innenstadt schauten wir uns den Dom
dann noch von innen an, bevor wir erneut zur Alten Mainbrücke weiterzogen, denn
den berühmten – oder eher berüchtigten? – Brückenschoppen konnten wir uns nicht
entgehen lassen. Dabei genossen wir die fast schon sommerlichen Temperaturen,
bevor wir uns kulinarischen Genüssen widmeten und uns im „Backöfele“ an
fränkischen Speisen gütlich taten. Anschließend war schon fortgeschrittener
Nachmittag. Wir wanderten noch ein wenig den Main entlang zum Alten Kranen und
genossen das Wetter, bevor wir unsere Rucksäcke einsammelten und uns auf den
Rückweg nach Stuppach machten, wo wir den Abend mit dem neusten Münster-Tatort auf
der Couch verbrachten.
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Im Dom |
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Blick auf den Würzburger Stein im Hintergrund |
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Alter Kranen |
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Festung Marienberg |
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