Dienstag, 25. Februar 2025

Reisebericht Birmingham "Galopper und mehr" 2

 

Donnerstag, 20. Februar

Rennfrei heute und trotzdem hätten wir fast verschlafen. Anscheinend sind wir so entspannt im Urlaubsmodus angekommen, dass ich erst nach 9 Uhr den ersten Blick aufs Handy warf und feststellte: Wir sollten aufstehen. Denn um 10:30 Uhr sollte unsere Stadtführung in Birmingham beginnen und auf ein gemütliches Frühstück und vor allem einen Kaffee vorher wollten wir nicht verzichten. Also aus den Federn! Gestärkt mit dem morgendlichen Müsli machten wir uns auf den Weg zur Kathedrale, wo uns unser Guide Hanna für einen anderthalbstündigen Stadtrundgang erwartete. Wir lernten nicht nur, dass Birmingham Englands zweitgrößte Stadt und außerdem seit Herbst 2023 offiziell pleite oder bankrott ist, sondern auch allerlei Wissenswertes über Kultur, Geschichte, Architektur und Sehenswürdigkeiten von „Brum“. Stolz sind die „Brummies“ u.a. darauf, dass ihre Stadt mit 35 Meilen Kanälen ein größeres Kanalnetz als Venedig und mehr Parks als Paris hat. Auch sonst kommt Birminghams Innenstadt sehr gepflegt daher. Optisch merkt man (noch?) wenig davon, dass die Stadt pleite ist. Auch viele Baustellen, die von Großprojekten zeugen, lassen das nicht unbedingt vermuten. Andererseits streikt gerade die Müllabfuhr, es wird eine Rattenproblematik befürchtet und das Kulturbudget für dieses Jahr wurde nicht nur gekürzt, sondern es gibt schlichtweg keins mehr (100% cut). Insofern ist das schon krass. Eine von vielen Ursachen dafür sind die Kosten der Commonwealth Games, die 2022 in Birmingham stattgefunden haben. Kulturell und sportlich bestimmt ein tolles und buntes Ereignis, finanziell hingegen wie so viele Sportereignisse, ein Millionengrab. 

Birmingham Cathedral von innen

City Hall im Hellen

"Pete the Bull", das Maskottchen der Commonwealth Games 2022.

Die teure Bücherei

Die Golden Boys der Industrialisierung: Matthew Boulton, James Watt und William Murdoch



An der Stelle schon erstaunlich, dass das im vergangenen Jahr nach Renovierung (bestimmt auch nicht billig) neu eröffnete National and Art Museum keinen Eintritt erhebt, um nur ein Beispiel zu nennen. Daniel und ich erkundeten die Stadt nach der Führung noch auf eigene Faust. Wir liefen erst ein Stück am Kanal lang und besuchten anschließend die architektonisch auffällige Bücherei (kostete 2013 immerhin auch schon 188 Mio. Pfund) von Birmingham mit mehreren interessanten kleinen Ausstellungen und Aussichtsmöglichkeit auf die Stadt. Anschließend machten wir eine späte Mittagspause im „Rosa’s Thai“, statteten dann dem Birmingham Museum and Art Gallery einen Besuch ab, bis diese um 17 Uhr schloss und streiften dann noch durch die Einkaufsstraßen bis zum Bullring, dem größten Shopping Centre. Dann liefen wir zurück, durchstreiften noch ein wenig das Jewellery Quarter und kehrten zurück ins Hotel zu einem Abendsnack und einer kleinen Pause für die Füße. Ich tippte fleißig die ersten Reiseberichte, danach machten wir uns noch einmal auf zu einen Pubbesuch, denn das Queen’s Arms nur wenige Meter vorn unserer Unterkunft entfernt, machte einen sehr einladenden Eindruck. Dieser täuschte nicht und so genehmigten wir uns dort noch jeder zwei Drinks: ein Brixton Lager und ein Theakston XB Red Ale und ich ein Brixton Pale Ale sowie einen Chase GB Gin Tonic.


 

Bücherei von innen 


Ausblick vom Dach


Wir diskutierten darüber: 80er in renoviert oder Neubau. Es ist Letzteres - ohne Worte

Birmingham Museum and Art Gallery



Bull Ring

City Hall

doppelter Bull Ring

Birmingham Cathedral im Abendlicht


 

 

Freitag, 21. Februar

Endlich wieder Rennen, wurde ja auch mal wieder Zeit. Heute ging es nicht ganz so früh los. Wir verschoben die Abfahrt auch aufgrund der Regenvorhersage in Warwick noch eine Stunde nach hinten. Nach den kalten und eher freundlichen Tagen hatte sich jetzt warmes, stürmisches Mistwetter eingenistet: Nicht unbedingt das richtige Wetter für eine Tour durch die Innenstadt gefolgt von einem ca. fünfstündigen Renntag mit ebenfalls nicht so bombigem Wetter. Man muss ja nicht schon vorher durchweichen. Wir schlossen also ans Frühstück noch eine kleine Lesesession an. Gegen kurz nach zehn Uhr machten wir uns schließlich auf den Weg mal wieder zum Bahnhof, allerdings dieses Mal nach Birminingham Moor Street anstelle von New Street, allerdings liegen die Bahnhöfe nur etwa fünf Minuten Fußweg auseinander. Mit Chiltern Rail lernten wir auch so ungefähr die vierte Eisenbahngesellschaft kennen. Besondere Unterschiede haben wir bis jetzt allerdings nicht gefunden. Bei einer nur halbstündigen Bahnfahrt bis nach Warwick wenig verwunderlich, waren wir bei Weitem nicht die einzigen Rennbahnbesucher im Zug. Ein gefühltes Drittel der Passagiere verließ mit uns den Zug. Wir mussten daher mehr oder minder auch nur der Crowd folgen. Ein etwa zwanzigminütiger Spaziergang brachte uns zur Rennbahn – dieses Mal auch fußgängerfreundlich. Auf der Website war aber auch die Erreichbarkeit zu Fuß angegeben, insofern erwartbar. Wir waren trotzdem der späteren Anreise recht früh da, ausreichend Zeit also für eine ausgiebige Begehung der Örtlichkeiten und ein ausführliches Studium des Rennprogramms, schließlich mussten wir noch die Pferde für unser Head to Head aussuchen. 








 

Insgesamt wurde der Tag sehr viel weniger nass als befürchtet. Das sollte später auch Thema bei einem Gespräch auf der Damentoilette sein – frei nach dem Motto Engländer(innen) finden immer einen Grund ein Gespräch über das Wetter zu beginnen und sei es beim Warten auf eine freie Kabine im stillen Örtchen. Acht National Hunt-Rennen offerierte die Karte in Warwick, darunter ein Bumper. Die Bahn wurde richtig voll, ein Freitagnachmittag schien vielen terminlich zuzusagen und eine mittelgute Wettervorhersage ist noch lange kein Grund, nicht auf die Rennbahn zu gehen. Zu Recht, muss man sagen, es regnete zwar zwischendurch immer mal wieder, aber auch für unser Gefühl nicht ungemütlich viel. Beim Head to Head bewegte sich wenig, wir hatten einen Gleichstand in der Tageswertung, also ein 12:10 insgesamt nach drei Renntagen. Nach dem Renntag gab es noch ein kleines Schmankerl obendrauf, 17 Galopper aus verschiedenen, vor allem lokalen Ställen absolvierten einen öffentlichen Galopp quasi als Vorbereitung auf das Cheltenham Festival im März. Darunter befanden sich mit Protektorat und Unexpected Party auch zwei Cheltenham-Sieger des vergangenen Jahres.







 



Vorbereitungsgalopps für Cheltenham

Wir fanden richtig Gefallen am National Hunt-Sport, für uns sind Hindernisrennen ja ein eher seltener Genuss. Ein Genuss war es wirklich, wir sahen an beiden Tagen gut springende Pferde, wenige Stürze – und wenn, dann keine heftigen – am heutigen Renntag kamen keine Pferde zu Fall oder entledigten sich ihrer Reiter. Die Stimmung war sowohl in Ludlow als auch in Warwick sehr gut, wenngleich da Warwick die Nase ob des sehr guten Besuchs vorn hatte.

Nach dem Renntag machten wir noch einen kleinen Umweg, um von Warwick Castle zumindest ein Foto zu schießen. Der Versuch, auf eine Pizza in Warwick einzukehren, war indes nicht von Erfolg gekrönt, sodass wir dann den nächsten Zug um kurz nach 18 Uhr zurück nach Birmingham nahmen. Zum Glück kamen wir mit 10 Minuten Puffer am Bahnhof an, denn wir hatten zwar die Baustelle dort wahrgenommen, allerdings nicht, dass wir aufgrund dieser einen gut sechsminütigen Fußmarsch absolvieren mussten, um zum anderen Gleis zu kommen. 

Warwick Castle


Aus dem Zug heraus orderten wir eine Pizza zum Abholen in der Nähe unseres Hotels und ließen den Abend im Hotelzimmer ausklingen. Der große Regen kam passenderweise, als wir genussvoll in unsere Pizzen bissen. 


Samstag, 22. Februar

Der Wecker klingelte um 8:30 Uhr, also eher ein Wecker aus der „sicher ist sicher“-Kategorie. Ein letzter Renntag stand an, bevor die Heimreise für Sonntagmorgen geplant war. Wir frühstückten die Müsli-, Obst- und Milchreste und tranken den übrigen Kaffee, danach packten wir unsere Rucksäcke und checkten aus unserem Apartmenthotel in Birmingham aus. Zu Fuß legten wir den schon gewohnten Weg zum Bahnhof Birmingham New Street zurück. Dort nahmen wir den Zug um 10:09 Uhr nach Nottingham. Erst einmal nichts Besonderes, außer, dass wir eine weitere Eisenbahngesellschaft namens Cross Country kennenlernten. Einen Halt nach Birmingham (Tamworth) wurde der Zug voll, jede Menge Anhänger des Derby-Fußballclubs stiegen ein. Bis wir herausfanden, was das Ziel der Massen war, dauerte es aber, denn nur sehr wenige trugen die bei uns üblichen, untrüglichen Zeichen der Fußballvereinsanhängerschaft. In Nottingham – kein Sheriff in Sicht – stiegen wir um. Der Anschlusszug war als „very busy“ angekündigt, doch meine Befürchtungen, vor lauter Galopperfans nicht mehr in den Zug zu passen – waren gegenstandlos. Es erschienen zwar Ordner in orangefarbenen Westen, doch der gut gefüllte Zug leerte sich in Nottingham fast komplett. Also doch kein Massenansturm auf den Weltbahnhof Rolleston, den die Züge allenfalls alle zwei Stunden ansteuern. Entsprechend ging es in der nächsten halben Stunde über die Dörfer mit natürlich – wie könnte es anders sein – schon wieder einer neuen Eisenbahngesellschaft (East Midlands Railway). Aus dem Zugfenster sahen wir z.B. das erste Windrad seit wir in England unterwegs waren und konnten uns davon überzeugen, dass die englischen Bahn(hof)angestellten sehr zuverlässig in Warnweste die Blumen am Bahnsteig gießen, auch samstags. 

Minimilch trifft Maximilch

Bulle im Bahnhof: Tschüss Birmingham

Nottingham Bahnhof
 

In Rolleston angekommen, waren es keine fünf Minuten Fußweg bis zur Rennbahn Southwell. Am Eingang fragten wir uns wegen unseres Gepäcks durch. Ich hatte unter der Woche, nachdem mir aufgegangen war, dass der Bahnhof in Rolleston (zwei Bahnsteige, zwei Gleise, auf jedem ein Ticketautomat) so klein ist dass es dort keine Schließfächer geben würde, die Rennbahn mit der Frage, ob es möglich sei, Gepäck abzustellen, angeschrieben. Gemma hatte geantwortet und wir durften unsere Rucksäcke im dortigen Sekretariat abstellen, sehr freundlich.

Wir hatten noch ordentlich Zeit bis zum ersten Rennen, also die Gelegenheit für einen Rundgang. Ein Ordner las uns auf, anscheinend waren wir sehr offensichtlich das erste Mal dort und erklärte uns, wie das so in Southwell funktioniert, so in dem Duktus: Ah, ihr habt „General Admission“-Tickets, das ist gut, dann dürft ihr quasi überall in, nur nicht… usw. Sehr knuffig. Die Rennbahn Southwell machte einen sehr gepflegten Eindruck, alles schön fertig gemacht und blitzeblank geputzt für das erste Grupperennen auf der Flachen in Europa 2025.  Wir setzten uns am Führring in die Sonne und spielten unsere letzte Head-to-Head-Runde. Das erste Rennen war gleich ein Listenrennen über 1000 Meter, wenn das mal kein ordentlicher Auftakt ist. Direkt danach folgte mit dem Winter Derby das Grupperennen. Hier gewann der Favorit Royal Champion. Kurz vor dem Rennen war ein Helikopter gelandet, der später nach dem 3. Rennen wieder davonfliegen sollte. Doch wer auch immer darin saß, es war zumindest nicht der Besitzer des Gruppesiegers, der glänzte durch Abwesenheit. Danach gab es noch eine Reihe Handicaps sowie ein Rennen für dreijährige und ältere Sieglose. Wie es sich für einen Renntag gehört, der sich sowohl vom Wetter als auch vom Programm her schon etwas nach Frühling anfühlt, waren auch bekannte Namen dabei, sowohl auf Trainer- als auch Jockeyseite. Das Head-to-Head blieb bis fast zum Schluss spannend, die Entscheidung zu meinen Gunsten fiel im vorletzten Rennen. Gesamtbilanz nach vier Renntagen: 16:15. Der Titel war Programm.

Clarendon House siegt in den Hever Sprint Stakes


Royal Champion gewinnt das Winter Derby

Royal Champion nach dem Sieg

 



Zwischendurch hatte ein Blick auf die Trainline-App schon offenbart, dass die abendliche Fahrt zurück nach London nicht planmäßig verlaufen würde, da bereits ein Zug als annulliert wegen Personalmangels gemeldet wurde. Zwecks Nachvollzug, der Plan sah wie folgt aus:

19:24 Uhr: Rolleston nach Newark Castle, dann 0,8 Meilen Fußweg nach Newark Northgate

20:09 Newark nach Stevenage (21:18)

21:31 Stevenage nach Farringdon (22:04)

22:15 Farringdon nach Heathrow (22:57)

Hat nicht so ganz geklappt. War vielleicht auch etwas sehr optimistisch, allerdings gab es von Vornherein keine Alternative. Der 19:24er Zug war der letzte an diesem Tag ab Rolleston, damit fing es schon an. In meinem Optimismus war ich davon ausgegangen, dass wir, sobald wir den Großraum London erreichten, schon irgendwie weiterkommen würden. Eine mehrstündige Großsperrung nach Unfall mit Personenschaden hatte ich nicht auf dem Schirm gehabt. Schlimm genug, dass es passierte. Wir kamen erst einmal nur bis Newark, also genau einen Halt, ab Newark ging erst einmal wenig. Drei Züge Richtung London sollte es noch geben, aber die standen halt irgendwo rum mit der wenig spezifischen Angabe „delayed“, aber es konnte ja auch niemand vorhersehen, wann es weitergehen würde. Letztlich warteten wir anderthalb Stunden in Newark – an dieser Stelle ein Hoch auf die englischen Bahnhöfe, quasi überall gibt es kostenlose Toiletten und beheizte Warteräume – bevor einer der drei Züge um 21:20 Uhr tatsächlich ein- und mit uns weiterfuhr und wir bekamen sogar noch einen Sitzplatz. Fürs Protokoll: Dieses Mal fuhren wir mit London North Eastern Railway. Gegen 22:40 Uhr erreichten wir King’s Cross und bekamen so gerade noch die zweitletzte U-Bahn der Piccadilly Line nach Heathrow. Ich hatte irgendwie erwartet, dass London großstädtischere U-Bahn-Fahrtzeiten hat. Gegen Mitternacht kamen wir im Flughafenhotel an. Das letzte Bier aus dem Gepäck hatten wir uns als Schlummertrunk verdient. 




Nothing to add...

Sonntag, 23. Februar

Nach gut fünfeinhalb Stunden Schlaf klingelte der Wecker um 6 Uhr. Wir gönnten uns ein schnelles Hotelfrühstück und vor allem einen Kaffee. Leider fuhr die Elizabeth Line nicht, sodass wir die U-Bahn zum Terminal 2 nehmen mussten. Bis zum nächsten Mal habe ich dann auch recherchiert, wie ich es schaffe, dass ich für den kostenlosen Transfer zwischen den Terminals auch tatsächlich nichts bezahle, aber es musste flott gehen. Danach wurde es glücklicherweise unspektakulär. Abflug und Landung pünktlich, reibungsloser Ablauf, bestes Wetter und entsprechend die Entscheidung, die vier Kilometer nach Hause zu laufen. Noch besser: Die S8 fiel aus und wir wären mit der Bahn sogar nur unwesentlich schneller gewesen. Der nächste Rennbahnurlaub darf gerne kommen!

Rennbahnbilanz in Programmheften

Homebound...

We're walking...

Überblick Reiseroute