Sonntag, 23. Februar 2025

Reisebericht Birmingham "Galopper und mehr" Teil 1

 

Dienstag, 18. Februar

Zu Beginn möchte ich kurz ausholen, denn eigentlich war es nicht unbedingt unsere erste Idee, im Winter nach England zu reisen. Es begann wie öfters schon mit der groben Idee, mal dem deutschen Winter zu entfliehen. Jetzt darf gelacht werden, offensichtlich tauschen wir den deutschen gegen den englischen Winter, in Sachen Wärme und Sonne sicher kein Gewinn. Aber wie auch bei den letzten Versuchen, Winterurlaub in wärmeren Gefilden zu verbringen, klappte es auch dieses Mal nicht. Der Wille war da, aber die Angebote sagten uns nicht richtig zu. Kurz überlegten wir zwischenzeitlich, wie vor zwei Jahren nach Cagnes zu reisen, aber da sprachen die Flugpreise gegen und so weiter und sofort… und am Ende gewannen wieder einmal die Pferde. England war auch vergangenen Herbst schon unsere Idee gewesen, damals scheiterte das Vorhaben jedoch an einem nicht vorhandenen Reisepass, dieses Mal reichte die Zeit, die Flüge nach London waren ebenso erschwinglich wie die Züge, also los.

Wer früh losfliegt, hat mehr vom Tag. Frei nach dem Motto klingelte der Wecker um 5 Uhr in der Früh, um den Flug nach London um 7 Uhr morgens zu nehmen. Dieses Mal liefen wir auch nicht durch den Wald, sondern entschieden uns (auf meinen Wunsch) für die S-Bahn. So waren wir im Endeffekt eine gute Dreiviertelstunde nach dem Aufstehen am Gate, lag aber auch daran, dass die Wartezeit beim Sicherheitscheck 0 Minuten betrug. Der Flug an sich wäre nicht weiter erwähnenswert gewesen, wenn nicht einer der Flugbegleiter in Kelsterbach gewohnt und seinen Postboten erkannt hätte. Mit dem Effekt, dass wir trotz Holzklasse Kaffee, Croissants und Business Class Pralinen bekamen. Wir hätten auch Sekt bekommen, aber das war mir vor dem Frühstück dann doch zu viel. 




Nach einem sehr angenehmen Flug erreichten wir London Heathrow pünktlich und hatten erst einmal anderthalb Stunden totzuschlagen, da wir ein „Off Peak“-Zugticket gebucht hatten und daher bis nach 9 Uhr warten mussten. Wir verspeisten unser mitgebrachtes Frühstück und machten uns mit den Modalitäten der englischen Bahnticketautomaten vertraut, da wir einige unserer Tickets noch ausdrucken mussten. Das stellte jedoch keine Raketenwissenschaft dar.  Um 9 Uhr nahmen wir dann die Victoria Line bis Tottenham Court Road und liefen weiter zu Fuß – wir hatten ordentlich Puffer – nach Euston, wo unser Zug nach Birmingham abfuhr. Weil wir Zugbindung hatten, machten wir noch einen Abstecher nach King’s Cross und sahen uns die Touristenscharen vor Gleis 9 ¾ an. Schließlich war es endlich Zeit für unseren Zug, der uns in einer guten Stunde nach Birmingham brachte. Dort brachten wir unsere Rucksäcke ins Hotel, das fußläufig im Jewellery Quarter lag. Wir konnten glücklicherweise unser Zimmer schon beziehen. Anschließend kauften wir im Tesco’s ums Eck das Nötigste ein. Nach einem kurzen Snack machten wir uns direkt wieder auf zum Bahnhof Birmingham New Street, um ins nahegelegene Wolverhampton zu fahren. Beim Ticketkauf benahmen wir uns wie Anfänger, wir warteten nämlich nicht lange genug, bis alle Tickets gedruckt waren, sondern dachten schon, wir wären fertig, als 2 Tickets herausgefallen waren. Der Fehler fiel uns dann an der elektronischen Zugangskontrolle auf. Also nochmal zurück. Die Tickets lagen zum Glück noch im Automaten. Die restliche Fahrt verlief ohne weitere Hindernisse. In Wolverhampton nahmen wir den Bus zur Rennbahn, wir wollten schließlich pünktlich sein. Hier brauchten wir dann zum ersten Mal Bargeld und meine These, dass wir keins brauchen würden, hatte sich somit schon nach wenigen Stunden erledigt. Daniel hatte aber glücklicherweise noch ein paar Pfund vom letzten Englandbesuch vor einigen Jahren. 




 

Die Rennbahn Wolverhampton entpuppte sich als zweckmäßig und wenig glamourös, also quasi als ziemlich genau das, was man bei einer Industriestadt in Mittelengland bei einem Winterabendrenntag auf Tapeta erwartet. Davon abgesehen waren alle freundlich. Bauarbeitsbedingt erreichte man die Bahn selbst nur beim Durchqueren des direkt an der Bahn gelegenen Hotels. Die Programme gab’s umsonst und auch sonst gab’s alles, was so braucht auf einer Rennbahn: Essen, Trinken, Wettgelegenheiten und einen beheizten Raum unterhalb der Tribüne zum Aufwärmen. Der Besuch war überschaubar, aber im Rahmen des Erwartbaren bei einem eher ungemütlich kalten Februarabend unter der Woche. Ein untrüglicher Beweis dafür, dass wir uns in England befinden? Menschen mit kurzer Hose und T-Shirt auf der Rennbahn bei ca. 2 Grad über Null. Ich sollte nicht überrascht sein und bin es doch jedes Mal wieder.






Daniel und ich spielten unser im Rennbahnurlaub traditionelles Head to Head (wer vor wem), was sich tatsächlich als Kopf-an-Kopf-Rennen herausstellen sollte, mit einem knappen 5-4 für mich an diesem Abend.

Wir schafften immerhin – in Winterkleidung – acht der neun Rennen, bevor uns ausreichend kalt war und wir uns um 20 Uhr auf den Rückweg machten. Dieses Mal liefen wir zu Fuß zurück zum Bahnhof, brauchten dafür knapp 40 Minuten, wonach immerhin die Füße wieder warm waren. Trotzdem waren wir um die heiße Dusche im Hotel sehr, sehr froh. Danach gab’s noch zwei englische Biere und dann waren wir reif fürs Bettchen.

 

 





Mittwoch, 19. Februar

Zweiter Tag in England, zweite Rennbahn. Heute sollte es etwas weiter weg von Birmingham aufs Land gehen. Genauer gesagt, Richtung Westen bis kurz vor die walisische Grenze nach Ludlow im County Shropshire. Entsprechend dauerte die Anfahrt mit dem Zug auch anderthalb Stunden, sodass wir halbwegs beizeiten um 8 Uhr aufstanden. Wir frühstückten in unserem Apartmentzimmer, hatten uns tags zuvor Haferflocken und Milch gekauft und brachen dann auf. Der Weg führte uns ab 9:20 Uhr von Birmingham New Street mit Transport for Wales erst einmal nach Shrewsbury. Dort hatten wir 23 Minuten Aufenthalt – Zeit genug, um zumindest einmal um das Bahnhofsgebäude zu laufen und dann weiter nach Ludlow. Auf der zweiten Hälfte der Strecke wurde es dann richtig ländlich: Jede Menge Wiesen mit Schafen, immer hügeliger werdende Landschaft, geradezu so vermeintlich klassisch englisch, wie man sich das so vorstellt. Das Wetter passte auch dazu: dunstig und feuchtkalt. Gut, dass ich dieses Mal eine Dreiviertelhose drunter gezogen hatte. In Ludlow angekommen mussten wir erst einmal 40 Minuten Wartezeit auf den Shuttlebus zur Rennbahn überbrücken. Der Fußmarsch im Herbst zum Curragh hatte uns gelehrt, dass Rennbahnen nicht immer sonderlich gut für Fußgänger zu erreichen sind und in Bezug auf Ludlow hatte uns Google Maps schon erahnen lassen, dass es sich lohnen könnte, auf den Bus zu warten. Wir vertrieben uns die Zeit mit einem Aldibesuch und einem Kaffee. Wir waren schon etwas enttäuscht, als die Truppe junger Engländer in Anzügen zur örtlichen Brauerei abbog, wir hatten sie schon als Rennbahnpublikum ausgemacht. Doch wie sich später herausstellen sollte, machten auch sie nur einen Boxenstopp aka Vorglühen. Um kurz nach 12 kam dann auch der versprochene Bus. Beim Warten darauf, verströmten wir Ahnungslosen Deutschen offenbar die pure Kompetenz, als ausgerechnet wir gefragt wurden, ob hier der Shuttle zur Rennbahn abfahre… War immerhin richtig. Der Bus kam, alle stiegen ein und es passierte… erst einmal nichts. Nach 15 Minuten wurden die ersten ungeduldig und riefen zur Abfahrt. Es wurde sehr stereotyp. Der Busfahrer gab an, noch auf einen weiteren Zug zu warten, hinter uns wurde rumgewitzelt, man könne dem Fahrer den Weg erklären, es würde allmählich Zeit, sonst würde man das erste Rennen verpassen. Um 12:15 Uhr. Erster Start: 14 Uhr. Die Bahn erreichten wir um 12:30 Uhr. 



Ob der Laden wohl wirklich geöffnet hat?

Umsteigen in Shrewsbury

 

In Ludlow befinden sich Parkplätze, Führring, Winner’s Enclosure und Waage im Innenraum. Entsprechend müssen alle Fahrzeuge das Geläuf, dass an den Übergängen mit Kokosmatten ausgelegt ist, überqueren. Einige Minuten vor den jeweiligen Rennen werden dann die Autos angehalten, die Rails geschlossen. Wahnsinn, was so ein Renntag an Personal erfordert, also auch über die Helfer an den einzelnen Hindernissen hinaus. Jede Stelle, an der das Geläuf überquert wird, erfordert allein mindestens zwei Personen. Da in England in dieser Woche Schulferien waren, sprach man besonders Familien an und hatte einen „Behind the Scenes“-Renntag ausgerufen. Es begann mit einem Course Walk um 11:30 Uhr, den wir leider nicht schafften. Dafür kamen wir gerade rechtzeitig zur Weighing Room Tour, wo man die Waage besichtigen konnte und das ganze Prozedere von Auswiegen über Handicaps bis zur Rolle der Stewards erläutert wurde. Danach liefen wir einmal über das Rennbahngelände, überquerten das Geläuf, da sich die Haupttribünen wie üblich auch in Ludlow auf der Außenseite befinden. Dort entdeckten wir, dass die örtliche Brauerei auch auf der Rennbahn Bier verkaufte und testeten das gleich mal. Daniel bekam zum Geburtstag noch eine Ludlow-Mütze. Der nächste Programmpunkt wartete mit „alten Helden“ auf, vier Ex-Rennpferde wurden unter ihren heutigen Reitern präsentiert (Smad Place, Hazel Hill, Sixties Boy, First Fandango). Dann war es Zeit für das erste Rennen mit einer geführten Tour zu Startstelle, was wir uns nicht nehmen ließen. Später am Tag demonstrierte der örtliche Trainer Henry Daly noch das Satteln eines Pferdes für ein Rennen – auf eine sehr sympathisch-englische Art, mit viel Wertschätzung für die Pferde. Grundsätzlich ein tolles Rahmenprogramm, das viel rund um Pferde- und insbesondere Hindernisrennen erklärte und dem Publikum nahebrachte. 

Lokales Bier

Old Friends: von vorn: Hazel Hill, Smad Place, Sixties Boy, First Fandango)

Die Ordner sichern die Überfahrt des Geläufs


An der Startstelle vor dem ersten Rennen

 
Einmal Fish and Chips muss sein.




"Saddle a Horse with Henry Daly"




 

Nach sieben Rennen, drei Steeple Chases und vier Hürdenrennen, war leider Schluss, aber so langsam wurde es auch wieder ganz schön frisch. Wir mussten auch eine ganze Weile auf den Shuttlebus warten. Immerhin konnten wir dabei Engländer bei der Ausübung eines ihrer größten Hobbies bewundern, dem Queuing. Wie von selbst stellten sich alle Ankommenden unaufgefordert in einer Schlange auf. In Deutschland hätte man eher Trauben oder Gruppen gebildet, hier war es eine ordentliche Schlange. Allerdings zeigte sich bei Ankunft des Busses auch gleich der Volkszorn, der ausbricht, wenn man sich nicht an das ungeschriebene Gesetz hält. Die gleiche Jungstruppe in Anzügen vom Vormittag war der Ansicht, es sei eine gute Idee, die Ordnung zu missachten, um den Bus herum zu laufen und sich vorzudrängeln, denn offensichtlich würde der Bus zweimal fahren müssen, um alle Leute zum Bahnhof zu bringen. Da war aber High life… eieiei, ich habe keine Fragen mehr, wie eine gute und zünftige englische Schlägerei ausbricht. Hier gab’s nur wildes Geschubse und Gedränge, allerdings vermutlich auch deswegen, weil die wildesten Streithähne zurückgehalten wurden. Am Ende wurde alles gut. Die Truppe der jungen Wilden wurde nicht in den Bus gelassen, sie mussten warten und die Ordnung war zur Zufriedenheit aller wiederhergestellt.

Zurück in Ludlow machten wir einen zweiten Ausflug – Zugbindung ließ wieder einmal grüßen – in den Aldi, außerdem war es dort wärmer als am zugigen Bahnsteig und wir hatten 50 Minuten Wartezeit zu überbücken. Zurück am Gleis stellten wir fest, dass unser Zug so viel Verspätung hatte, dass es mit dem Anschluss in Shrewsbury herausfordernd werden würde. Hinzu kam, dass der nächste Transport for Wales-Zug von Shrewsbury nach Birmimgham erst anderthalb Stunden danach fahren würde, dazwischen nur Züge anderer Zugunternehmen. Vor unserem Zug kam aber noch ein weiterer. Mangels Kenntnis der Zugbindungsvoraussetzungen in England fragten wir also die Zugbegleiterin, ob wir auch den früheren nehmen könnten und netterweise durften wir. Im Nachhinein betrachtet, war das vermutlich sehr nett von ihr, denn der Zug machte von innen eher den Eindruck, als wäre es so etwas, was bei uns ein IC ist, wohingegen wir auf dem Hinweg einen klassischen Nahverkehrszug genommen hatten. Auf jeden Fall waren wir dadurch pünktlich in Shrewsbury, hätten wir auf unseren eigentlichen Zug gewartet, hätten wir den Anschluss nicht bekommen. Zurück im Hotel genehmigten wir uns einen Wein auf Daniels Geburtstag, bevor wir müde ins Bett fielen. 

Birmingham City Hall

New Street

 Fortsetzung folgt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen