Irgendwie ist es schon etwas komisch, um nicht zu sagen merkwürdig: Da werden Anfang Februar Missbrauchsfälle aus den 70er und 80er Jahren am Canisius-Kolleg bekannt. An sich ist das schlimm genug, klar, und sicherlich war es auch nicht die allergrößte Überraschung, dass es diese Fälle ausgerechnet an einer katholischen Ordensschule gegeben hat. Kurz nach dem Publikwerden der ersten Fälle war der Medienhype groß. Der aktuelle Rektor des Kollegs stellte sich öffentlichkeitswirksam an die Spitze der Aufklärung, die deutsche Bischofskonferenz versprach die Aufklärung sämtlicher Fälle und so weiter und so fort...
Und dann ging's auf einmal los als hätte man ein Hornissennest erwischt. Plötzlich überschlugen sich die Meldungen: Regensburger Domspatzen, Kloster Ettal, Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Berlin... Ehrlich gesagt, ich habe mittlerweile den Überblick verloren, wann wer wo sexuellen Missbrauch an Schülern begangen haben soll. Jeden Tag gibt es neue Meldungen und Verdachtsfälle. Und offenbar ist es auch nicht ausschließlich das Problem zölibatgeplagter katholischer Geistlicher. An weltlichen Schulen scheint sich Ähnliches abgespielt zu haben oder noch abzuspielen, wer weiß das schon?
Viele dieser Missbrauchsfälle liegen 30 oder mehr Jahre zurück. War der "Fall Canisius" wie ein Katalysator für die vielen geradezu sintflutartig hereinbrechenden Vorwürfe? Es scheint fast so. Die Frage ist warum. Es ist ja nicht so, dass es die ersten derartigen Vorfälle wären, die seit den 80ern bekannt wurden. Wenn sich das nun als reines Problem kirchlicher Schulen darstellen würde, könnte man noch behaupten, die Kirche hätte alles "vertuscht". Oder aber man könnte der Interpretation eines Focus-online-Lesers folgen, der auf der Website des Focus die Theorie aufstellt, die Kirche sei früher "zu mächtig" gewesen, auch wenn das vielleicht nicht der alleinige Grund gewesen sein mag.
Trotzdem, der "weltliche Touch" schmeißt die Theorien ganz schön über den Haufen. Ich weiß nicht wirklich was ich davon halten soll, genauso wenig kann ich eine Patentlösung anbieten. Vielleicht sind die Soziologen und Psychologen dieser Welt schlauer als ich, sehr wahrscheinlich sogar. Beklemmend und erschreckend bleibt es allemal. Ich persönlich muss mich an dieser Stelle fragen, ob sich hier nicht doch ein Phänomen in die Öffentlichkeit zurückschleicht, dass scheinbar längst überwunden war und nur noch von diversen Medien als Aufmerksamkeitserregungsstrategie genutzt wurde. Ein Phänomen, mit dem ich mich sehr schwer tue, ganz einfach weil es überstrapaziert wird und wurde. Aber ich befürchte, meine Meinung diesbezüglich ändern zu müssen. Das Phänomen heißt: Tabu.
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