Donnerstag, 14. April 2011

The running cry for help

Es dürfte vor etwa siebeneinhalb Jahre gewesen sein, als ich eine Sportart für mich entdeckte, die mich begeisterte und mich seitdem immer wieder neu fasziniert hat. Ausnahmsweise hat das mal nichts mit Pferden zu tun - die Vermutung läge ja nahe. Der gemeinte Sport hat aber zumindest eins mit Pferderennen gemeinsam, er ist in Großbritannien ziemlich populär, Snooker nämlich. Das mag für den nicht snookerinteressierten Menschen sterbenslangweilig finden, aber ich versichere, die sich langsam entwickelnde Dramatik großer Finals, die sich oftmals stundenlang bis in die tiefe Nacht hinziehen, kann nervenzerfetzend sein. Regelmäßig habe ich mir die Nächte um die Ohren geschlagen, um auf Eurosport die spannenden Matches zu verfolgen, insbesondere, wenn die wohl schillerndste Figur des Snookersportes, Ronnie O'Sullivan, am 3,5 x 1,8 Meter großen Tisch stand.

CheddarClassics.com (uploader de:Benutzer:CdaMVvWgS)

Damit wären wir auch beim Thema dieses Blogeintrages, eben jener Ronnie O'Sullivan. An guten Tagen ist er schlichtweg ein Genie, an schlechten Tagen kommt es vor, dass er mitten im Spiel einfach ging und nicht wieder auftauchte. Langweilig ist es nie mit Ronnie O'Sullivan, ein Jahr ohne Schlagzeilen war ausgeschlossen. In schöner Regelmäßigkeit sprach er vom Aufhören, aber immer zog es ihn zurück an den Tisch. Skandale waren quasi an der Tagesordnung, er war und ist der Rockstar des Snooker, das enfant terrible, der Polarisierende - entweder man hasst oder man liebt ihn - und dennoch oder gerade deswegen, derjenige, der den Sport in schweren Zeiten am Leben erhielt. Absolut legendär ist dieser Frame, von dem O'Sullivan selbst sagt, es sei geradezu "wahnsinniger Speed" gewesen. Aber es gab nicht nur die spektakulären Momente, nach den Hochs kam stets ein Tief, Depressionen, Drogen, Ausraster in der Öffentlichkeit, die Liste ist lang. Man kann es Genie und Wahnsinn nennen, die Wahrheit ist aber wohl, dass O'Sullivan manisch-depressiv ist. Irgendwann habe ich mir O'Sullivans Autobiographie gekauft und geradezu verschlungen. Das Buch, das eigentlich nicht gerade ein literarischer Höhepunkt ist und vor ostlondoner Slang geradezu strotzt, hat mich so sehr gepackt und gefesselt, dass ich das komplette Werk innerhalb eines Monats ins Deutsche übersetzt habe - damals war ich in der 10. Klasse. 

In den letzten Jahren schien sich Ronnie O'Sullivan gefangen zu haben, sowohl Verhalten als auch Leistungen wurden zunehmend konstanter, neben Genie und Wahnsinn gab es auch "normal". Zumindest bis zum letzten Jahr. Seitdem ist wieder der Wurm drin. Offensichtliche Lustlosigkeit, Erstrundenniederlage folgt auf Erstrundenniederlage und nach 7 Jahren brauche ich meist nur kurz reinzuschauen und ich weiß, ob er will oder nicht. Neuerdings machen wieder Gerüchte über Karriereende und Psychiaterbesuche die Runde. Die Weltmeisterschaft beginnt morgen, für Ronnie sonst immer DAS Turnier und immer ein Grund, sich - so schlecht es ihm auch gehen mochte - aufzuraffen und eine gute Performance abzuliefern. Dieses Mal wollte er absagen. Ob er wirklich am Tisch auftaucht? Gute Frage. Ich muss gestehen, dass Snooker für mich in den letzten 12 Monaten viel von seiner Faszination eingebüßt hat, ohne O'Sullivan ist Snooker langweilig, der Thrill, nicht zu wissen, was als nächstes passiert, was die nächste verrückte oder brilliante Idee ist, fehlt. Und mir tut es echt in der Seele weh, weil mir Ronnie O'Sullivan als Mensch so verdammt leid tut - wie der Titel schon sagt, ein laufender Hilfeschrei, wo nur die Hoffnung bleibt, dass er die Kurve kriegt - mit oder ohne Snooker.

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