Nun ist die 2015er Auflage des Deutschen Derbys schon seit
zwei Tagen vorbei und der Alltag hat uns wieder. Das gilt umso mehr, als dass
bisher Zeit und Muße fehlten, ein paar Zeilen zum Derby an sich und zum Meeting
drumherum aufs virtuelle Papier zu bringen. Von Donnerstag bis Sonntag, also vier
Tage respektive drei Renntage lang, waren wir dieses Mal in Hamburg. Und wieder
einmal bewahrheitete sich eine These: Hamburg zur Derbyzeit ist einfach immer
wieder extrem. In der Extremität lässt sich die Stadt da durchaus
verschiedenste Facetten einfallen, um Mensch und Tier zu prüfen. Gefühlt hatten
wir in den letzten Jahren alle denkbaren Wetterphänomene – außer Schnee und das
darf gern so bleiben. Dieses Jahr war nach unwetterartigen Regenfällen inkl.
Rennbahnflutung in 2014 Hitze an der Reihe. Für mich persönlich war das weniger
tragisch, da mir Hitze rein gar nichts ausmacht, Regen und Kälte finde ich viel
schlimmer. Aber natürlich machen Pferderennen auch mir bei 20-25 Grad auch mehr
Spaß als bei 35-40. Vor allem ist so eine 1,5l Wasserflasche anfangs ganz schön
schwer. Dummerweise reicht die bei den Temperaturen trotzdem nicht, aber da ab
Samstag der Wasserpreis dankenswerterweise reduziert wurde, war günstiger
Nachschub zu bekommen. Also von meiner Seite alles tutti. Ich war auch am
Samstag vor fast jedem Rennen am Führring. Schatten ist da ja bekanntlich
Mangelware.
Genug der Vorrede, kommen wir zum Eingemachten. Da es
ziemlich langatmig und wohl auch langweilig wäre, in chronologischer Reihenfolge
über alle Rennen der letzten drei Meetingstage zu berichten, lasse ich das sein
und schreiben nur darüber, worauf ich Lust habe und solange ich Lust habe. Die
Abfolge lasse ich dabei teilweise außer Acht und beginne mit dem Highlight, dem
IDEE 146. Deutschen Derby
Derbysieger 2015: Nutan |
Dass der Sieger Nutan der von mir erhoffte Derbysieger war,
ist ja kein Geheimnis. Das lässt sich zum einen natürlich über meine
persönlichen Vorlieben erklären, für den anderen Grund muss ich ein klein wenig
ausholen. Im Februar 2014 war ich am Schiergen-Stall zwecks eines
Doppelinterviews. Nach ein paar Lots – es waren allerdings der Dauer meiner
Anfahrt geschuldet, nur die späten – bin ich mit Peter Schiergen natürlich auch
durch den Stall mit den damals zweijährigen Hengsten gelaufen. Es war recht
wenig los, nur eine Nase reckte sich mir neugierig in der Hoffnung auf
Streicheleinheiten entgegen. Den zur Nase gehörenden Kopf als schön bezeichnen
zu wollen, wäre ein ziemlicher Euphemismus, siehe Bild. Mein Gedanke ging eher
in die Richtung: hässlicher Kopf. Der nächste Gedanke war: Gut, wenn schon
nicht schön, dann musst du ja wenigstens was können. Das Pferd mit dem wenig
eleganten Kopf war natürlich Nutan. Irgendwie blieb der Eindruck haften und so
landete Nutans Name Ende 2014 bei der Auswahl „Ten to Follow Derby +“ im Forum
auf meiner Liste; zumal ich genau wusste, wie sehr ich mich geärgert hätte,
wenn ich ihn nicht gehabt hätte und sich dann später herausstellen würde, er
kann doch etwas. Dass die Schwester Nutans Nymphea heißt, war aber natürlich
auch kein Gegenargument.
Nutan im Februar 2014 |
Nutan stand für mich also ohnehin unter besonderer
Beobachtung. Ende Mai hatte ich dann auch irgendwann für mich beschlossen,
dass, wenn es nach mir ginge, es der Ritt von Andrasch Starke sein würde.
Offensichtlich war das dann nicht nur meine Meinung von außen. Nun ja, nach der
Union bin ich dann in meinen üblichen Zweckpessimismus übergegangen. Sonntag
war’s dann endlich so weit, leider ohne die Beteiligung der großen
Vorausfavoriten Quasillo und Karpino, deren Abwesenheit dem Rennen, objektiv
betrachtet, schon etwas von seinem Reiz nahm. In die Favoritenrolle rutschte
dann logisch und folgerichtig Shimrano. Ansonsten will ich nicht alles
wiederkauen, was schon gesagt und geschrieben wurde und wende meinen Blick nun
auf den Eindruck, den die 18 Derbystarter im Führring hinterließen. Dem
Ereignis angemessen, erwähne ich alle 18.
1) Shimrano: Sah toll aus, trotz der
Temperaturen sehr relaxt und kaum schwitzend. Von der Präsenz her habe ich ihn
aus Köln allerdings beeindruckender in Erinnerung. Dem würde ich jedoch nicht
allzu viel Bedeutung beimessen, bei achtzehn Pferden sind die Vergleichsmöglichkeiten
auch ganz andere, als wenn man sich nur eine Handvoll Pferde ansieht. Ich war
allerdings auch im Vorfeld schon skeptisch, was die Derbysiegchancen anbetraf,
da mich die Art und Weise des Sieges in der Union nicht überzeugt hatte.
2) Molly le Clou:
Ein sehr schickes Pferd, bei dem die Proportionen einfach stimmen. Gehörte für
mich zu den größten Wundertüten im Vorfeld. Positiv anzumerken ist, dass er
dieses Mal vergleichsweise entspannt wirkte, das war durchaus schon einmal
anders. Gehörte für mich zu den chancenreichen Außenseitern, der siebte Platz
war dann auch aller Ehren wert.
3) Shadow Sadness:
Da hatte ich schon vor dem Metzler-Preis gekonnt dran vorbei geschaut. Der
Soldier Hollow-Sohn gehört da eher zur Fraktion unscheinbar. Wenn der Boden
weich gewesen wäre, vielleicht, so habe ich meine Aufmerksamkeit anderen
gewidmet.
4) Nordic Flight:
Nach Rating der am höchsten Eingeschätzte der fünf Starter von Peter Schiergen,
nach Führringseindruck weniger, auch wenn ich den Adlerflug-Hengst sonst
eigentlich optisch sehr ansprechend finde. Nordic Flight schwitzte früh stark
und wirkte recht nervös, wobei ich jedoch nicht mehr weiß, ob das bei
vorherigen Starts auch der Fall war. Meiner Erinnerung nach nicht, aber ich
kann mich täuschen. Aufgefallen ist mir, dass er sehr kopfschief in die
Zielgerade kam und dann sich dann auch nicht mehr geraderichten ließ. Mal
schauen, ob er da nicht möglicherweise noch was nachholen kann.
5) Areo: Ein
Pferd, das ich sehr, sehr gern mag und das mir immer wieder positiv auffällt, weil
sehr harmonisch und schick, dazu immer wach und aufmerksam, dabei nie
überdreht. Bestätigte das, was er zuvor andeutete mit dem vierten Platz, so den
allerletzten Siegeswillen konnte ich grundsätzlich noch nicht beobachten.
6) Nutan: Schon
viel und oft beschrieben, ein Riesenschiff, das bisher immer noch sehr babyhaft
unterwegs war. Für mich eigentlich immer schon einer für vierjährig gewesen,
dass er auch dreijährig schon was kann, hat er eindrucksvoll gezeigt. Nutan
wird allerdings auch insgesamt von Start zu Start reifer und optisch
harmonischer. Ruhig und fokussiert war er auch. Den Eindruck störte nur die
Tatsache ein wenig, dass er dazu zu tendieren scheint, vor dem Rennen häufig zu
äppeln, die Hinterbeine wiesen jedenfalls entsprechende Spuren auf. Das war uns
schon in Köln aufgefallen und scheint den Hengst nicht zu stören.
Derbysieger Nutan |
7) Iraklion:
Gefiel mir ganz gut, war nur sehr schnell sehr nass geschwitzt.
8) Lovato: Ein
Hingucker mit seiner lackschwarzen Fellfarbe, den mag ich immer wieder gern
angucken. Lief ordentlich, landete wiederum einen Platz hinter Iraklion und das
mit ähnlichem Abstand wie im Bremer Trial.
9) Summer Paradise:
Da scheiden sich die Geister. Ich hatte ihn beim Start in Frankfurt sofort
gestrichen, weil nervös, zappelig, klatschnass. Vorm Derby das gleiche Bild,
der mit Abstand nasseste und unentspannteste der Starter, allerdings war ich
dieses Mal gewarnt. Trotzdem kann ich nicht sagen, dass er mir gefiel.
Ohrenstöpsel UND Scheuklappen mahnten weiter zu Vorsicht. Dafür ist der
Karlshofer grandios gelaufen.
10) Palace Prince:
Oder auch die zweite Wundertüte. Nachgenannt am Montag vor dem Derby, sah aber
wirklich klasse aus. Hatte mir auch schon zweijährig gefallen. Bestach im
Führring durch Präsenz, war ruhig, wach, Hingucker und vielleicht sogar das
schönste Pferd. Lief ein Wahnsinnsrennen als Zweiter, was ich ihm nicht richtig
zugetraut hatte. Alles richtig gemacht.
Derbyzweiter Palace Prince |
11) Fair Mountain:
Habe ich sträflich missachtet, weil ich das Frankfurter Rennen auch für nicht
sonderlich gut besetzt hielt. Sah aber gut aus und rehabilitierte sich
eindrucksvoll, wobei er Kampfgeist bewies.
Derbydritter Fair Mountain |
12) Graasten:
Bulliger Fuchs aus einer tollen Linie, auch nicht gerade klein. Eigentlich mag
ich den gern, sein ein Jahr älterer Bruder Giant’s Cauldron, der sich leider
verletzte, gefiel mir allerdings noch besser. Man versuchte es zum ersten Mal
mit Scheuklappen, das brachte nicht wirklich etwas ein.
13) Hot Beat:
Nicht sonderlich auffällig, konnte die Bremer Form nicht korrigieren, wurde
aber auch sehr weit außen gebracht. Die Nennungen lassen eigentlich darauf
schließen, dass man ihm mehr zutraut, als den zweitletzten Platz im Derby.
14) Rogue Runner:
Hatte ich Lust drauf, habe ich auch gewettet. Ganz so weit weg war er ja auch
in Epsom nicht. Die Scheuklappen halfen sicher auch. Rogue Runner gehört nicht
unbedingt zu den Pferden, bei denen einem direkt ein „Wow“ entfährt, ist aber
ein Pferd für den zweiten Blick.
15) Isidor:
Optisch für mich der dritte Hingucker neben den beiden schon genannten, auch
Isidor präsentierte sich relaxt und knochentrocken, dazu hellwach. Gefiel mir
nach Führringseindruck sehr gut.
16) Koffi Prince:
Schick, ja, aber wenn schon der Trainer sagt, dass das Pferd keine Chance hat…
Immerhin konnte er nach lange Führungsarbeit noch vier hinter sich lassen.
17) Bonusdargent:
Feldfüller, früh nassgeschwitzt, relativ nervös.
18) Shining Rules: Konnte optisch durchaus
besser mithalten als andere, ist ein schicker Typ, das Derby stellte sich
jedoch als zu schwer heraus. Wurde Letzter, da geht dann immerhin wenigstens
das GAG nicht gleich durch die Decke.
Via triumphalis: Andrasch Starke und Nutan |
In der Medienmeute: Jürgen Imm und Andrasch Starke |
Tja, das Rennen zu schildern spare ich mir. Das wurde an
anderer Stelle bereits getan, ich empfehle hier lieber die Rennverfilmung. Dass
der Derbysieger fünf Längen zwischen sich und den Zweiten bringen würde, hätte
ich nicht gedacht, ich hätte auf einen spannenderen Endkampf getippt. So war
alles schon circa 200 Meter vor dem Ziel klar und Mr. Derby Andrasch Starke
konnte 50 Meter vor dem Ziel schon mit dem Jubeln beginnen. Der Jubel fiel dann
auch enthusiastischer aus, als man beim siebten Sieg im Blauen Band meinen
könnte. Er war sogar ziemlich enthusiastisch ;) Zum einen wohl, wie er selbst
sagte, weil zum ersten Mal die ganze Familie dabei war – wenn ich richtig auf
den Fotos geschaut habe, schließt das neben Frau und Kindern auch Mutter und
Vater ein –, zum anderen aber vermutlich auch durch die fünfmonatige Zwangspause
im letzten Jahr bedingt, in der ja nicht einmal klar war, ob er überhaupt
wieder im Rennsattel sitzen, geschweige denn einen Derbysieger würde reiten
können. Und so war nach dem Derby irgendwie – wie Filip Minarik sagte – alles wie
immer. Nicht zu verschweigen ist dabei, dass Peter Schiergen seinen fünften
Sieg im Derby als Trainer, Stall Nizza zehn Jahre nach Nicaron den zweiten
Derbysieger, aber den ersten selbst gezüchteten, feiern konnte. Aus persönlicher
Perspektive sei noch angemerkt, dass man sich in diesem Jahr sympathiebedingt
mal wieder rückhaltlos mitfreuen konnte.
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