Mittwoch, 20. Oktober 2010

Wo die Pferde in der Pampa rennen

Am Dienstag fand der erste Renntag in Angers während meiner Anwesenheit statt. Eigentlich hatte ich im Vorfeld gar nicht in Erwähnung gezogen, dorthin zu fahren, da meine Dienstage mit ziemlich viel Uni vollgestopft sind und mal eben vier Seminare zu schwänzen war mir dann doch zu viel. Aber damals hatte ich nicht in Erwägung gezogen, dass die Franzosen ja ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Streiken nachgehen könnten. Dementsprechend vielen meine Kurse bis 14 Uhr ohnehinaus, blieben also noch zwei. Hm... naja, was die Franzosen können, kann ich auch! Also habe ich beschlossen, zu "streiken" und als Ausdruck meines Protestes auf die Rennbahn zu fahren - oder so ähnlich ;-) Ich hatte mir auch alles ganz toll ausgedacht, die Buslinien rausgeschrieben usw. Naja, das hätte ich mir sparen können. Als Lena und ich dann an der Bushaltestellen standen, kamen mir die ersten Zweifel an meiner Idee. Die ersten beiden Busse kamen erst gar nicht und das, obwohl die Busfahrer eigentlich nicht streiken... Ich WOLLTE aber zur Rennebahn! Irgendwann haben wir dann einen anderen Bus genommen. Das nächste Problem war dann, dass die Innenstadt aufgrund der Demonstrationen (inklusive angezündeter Mülltonnen) komplett gesperrt war, die Busse kamen also nicht rein. Also sind wir zu Fuß durch die ganze Innenstadt gelaufen, weil Karina ihren Willen haben musste, sich den Rennbahnbesuch in den Dickschädel gesetzt hatte und der Meinung war, irgendwo müsse die Linie 2 ja fahren. Tat sie auch und mit einiger Verspätung schafften wir es dann doch noch in den angeviner Vorort Eventard. 

Damit waren die Probleme aber noch nicht gelöst. Ich war davon ausgegangen, dass die Bushaltestelle namens Hippodrome sicherlich in Eingangsnähe liegen würde. Pustekuchen! Zwar war besagte Haltestelle in der Nähe der Rennbahn, jedoch völlig am falschen Ende. Super, wenn wir 4 Stopps eher ausgestiegen wären, hätten wir 5 Minuten Fußweg gehabt, so waren es dann eher 15-20. Auf jeden Fall liegt die angeviner Rennbahn im absoluten Niemandsland, am A*** der Welt. Da ist absolut NIX, wir hatten schon Angst, über die Kante zu fallen... 

Als wir dann endlich da waren und den Eintritt (5,50 Euro inkl. Programm) entrichtet hattem, öffneten sich gerade die Boxen zum zweiten Rennen. Das hatte immerhin einen positiven Nebeneffekt, die versprochene Wette auf den späteren Fünften Beaulieu konnte ich nicht mehr abgeben. Das Geld war also sicher. 
Dafür, dass die Dimensionen des Hippodromes eher niedlich und vom Platzangebot mit Neuss vergleichbar sind, protzt die Anlage mit immerhin 3 Bahnen, eine Sandbahn für die Trabrennen (gestern waren zum Glück keine), eine Bahn für die Steeplechases und eine „normale“ Grasbahn für Flach- und Hürdenrennen. Die Tribüne fällt ebenfalls in die Kategorie winzig, war aber schön fertig gemacht. Die Wetthalle mit massig Bildschirmen (inklusive Übertragung aus Deauville) unter der Tribüne war beheizt. Das kulinarische Angebot beschränkte sich auf Pommes (essbar), französische Würstchen (lasse ich die Finger von), sowie Getränke, darunter Kaffee und natürlich Wein. Ein Restaurant muss es auf dem Gelände auch noch geben, das habe ich aber nicht aufgesucht. Viele Leute waren nicht da, gut, es war erstens ein normaler Dienstagnachmittag und zweitens war vermutlich der größte Bevölkerungsanteil am gestrigen Nachmittag mit demonstrieren und Mülltonnen in Brand setzen beschäftigt. Ich schätze, dass 70 bis 80 % aller Anwesenden Leute aus dem Sport waren, die Anzahl der Ortsfremden bzw. Internationalen dürfte sich ziemlich genau auf 2 beschränkt haben :-D
Was die Stimmung anbetrifft, kann selbst Dortmund mithalten, es gab nämlich keine... Ich habe den ganzen Nachmittag nicht einmal Menschen klatschen gehört. Wobei, was mich noch am meisten an dem Rennbahnbesuch verstört, ist, dass es noch nicht einmal Siegerehrungen gab – und da bin ich mir ganz sicher, ich habe den ganzen Nachmittag danach gesucht, weil ich mir das nicht vorstellen konnte. 

Die Tribüne
Die Bahn(en)
Der Fühhring vor dem dritten Rennen, im Vordergrund ist Valoro (Dritter) zu sehen.
Nachdem wir die 2Jährigen-Rennen ja leider verpasst hatten, war unser erstes Rennen das dritte der Karte, ein Course D Rennen für dreijährige Sieglose, immerhin mit 27.000 Euro dotiert. Ordentlich Pfeffer im Hintern hatten die Pferde allerdings allesamt. Im Führring ging es mitunter ziemlich hoch her, ob es an den doch recht herbstlichen Temperaturen lag? In Ermangelung besonderer Vorlieben in Frankreich habe ich dann der deutsch gezogenen Foundation Filly (Lando), immerhin von Herrn Doumen trainiert, die Daumen gedrückt, die dann sogar gewonnen hat. Lena hatte es mehr auf Bebopalula abgesehen, die absolut logische Begründung dafür, die zum geflügelten Satz des Nachmittages werden sollte: "Der hat Punkte auf dem Hintern“. Von den anwesenden Jockeys kannte ich fast keinen, die bekannteren waren wohl alle in Deauville. 

"Puuuuunkteee": Bebepalula wurde trotzdem nur Sechster (von acht)
Finish im dritten Rennen: Foundation Filly verteidigt ihren Platz vor Ucandri (gelb-orange), Valoro (mauve-rosa), Sendiym (grün-rot) und Après Vous (blau-orange)
Danach ging es los mit den Handicaps, drei an der Zahl. War nett zu gucken, allerdings konnte ich die Pferde so gar nicht einschätzen, zumindest nicht nach Vorleistungen, also habe ich mich aufs Aussehen beschränkt. War auch zu faul, mir die ganzen Formen durchzulesen ;-) Wie das meistens der Fall ist, liefen die meisten Pferde mal wieder nicht ihrem Aussehen entsprechend. Allerdings gab es teilweise aber auch krasse Außenseiter-Einläufe, sodass ich es darauf schieben kann. ;-) Übrigens gab es im fünften Rennen ein Wiedersehen mit dem früher von Andreas Wöhler trainierten Lasse. Der ist immer noch schön und sah klasse aus, lief sehr ansehnlich und beendete das Rennen unter Höchstgewicht knapp geschlagen auf dem zweiten Platz und war anschließend noch fit genug, um direkt nach dem nächsten Grasbüschel zu schnappen. Zum sechsten Rennen schlossen sich dann die Lautsprecher spontan dem landesweiten Trend, an und verbrannten Mülleimer, ähhhh, streikten. Glücklicherweise nur ein Rennen lang.
Lasse - im Sattel Philippe Sogorb
Danach ging es dann in für mich ungewohnte Gefilde, eine Steeplechase über 3800m stand auf dem Programm. Das war dann für mich eine Premiere, denn eine richtige Steeplechase hatte ich auch noch nie live gesehen (die deutschen Jagdrennen sind ja kaum als solche zu werten). Im Nachhinein betrachtet, war dieses Rennen auch mein persönliches Tageshighlight. Aber dazu später. Die Pferde stellten sichtlich ein anderes Kaliber dar als die Flachpferde zuvor. Wobei ich fand, das einige Pferde einen merkwürdigen Schritt hatten, fast so als würde sie mit den Hinterbeinen außen um die Vorderbeine herumtreten, was ich noch nie zuvor gesehen habe. Hm, dass es an den Gamaschen lag, kann ich mir nicht vorstellen, hat sonst jemand eine Idee. Meine Begleitung hatte mal wieder einen Apfelschimmel (Punkte!), Ready Cash, in ihr Herz geschlossen, ich hatte mehr die Favoritin Stacy Eria im Auge, die leider am zweitletzten Hindernis nicht hoch genug sprang und ihren Reiter verlor, dabei hatte sie als zweite sehr aussichtsreich im Rennen gelegen. Somit ging der Sieg an den Co-Favoriten Romeobis, der das ganze Rennen über die Führungsarbeit geleistet hatte. Das heißt, eigentlich hatte er die meiste Zeit ein Führpferd. Das war allerdings wirklich kurios. Saint de Bois, immerhin der dritte Favorit, hatte sich gleich am ersten Sprung von seinem Jockey getrennt, trat dann aber den Beweis an, dass ihm laufen und springen definitiv Spaß macht. Er sprang einfach mal vorne weg und machte das Tempo. Saint de Bois lief weder an einem einzigen Sprung vorbei noch drehte er zu den Stallungen ab, das ganze 1,5 Runden lang. Danach bog er leider falsch ab und geriet auf die Hürdenbahn, wo er allerdings weiter sprang, obwohl neben den Hürden genug Platz gewesen wäre. Cooles Pferd und definitiv mein moralischer Sieger ;-)

Saint des Bois führt das Feld an ;-)
Der Sieger führt bereits: Roméobis, Tracy Eria, Folish Pat, Ready Cash, Royal Thatch, Carmenne, As de Kerbiguet

1 Kommentar:

  1. Am Kaffee müssen sie aber noch arbeiten, wir sollten beim nächsten Mal doch den Wein probieren, der wärmt bestimmt von innen und meine fachmännischen Gutachten kann er auch nicht weiter trüben. ;-)

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